Reich kann jeder
beobachtet uns nur.
Man müsse aufpassen, was man mit diesem einzigartigen Stück Geschichte mache, sagt er und klingt sehr stolz auf seinen deutschen Mauer-Schatz. Er sagt Sätze wie: »Die Teile stehen ja nicht im Wald und wachsen nach.«
»Nein, das tun sie nicht«, sage ich und lache höflich. »Das wäre ja noch schöner.«
Das Kontingent, das er habe, das seien mit die letzten echten Teile, die es überhaupt noch gebe, sagt er.
Ja, sagen wir, das sei uns klar.
Es gebe Bilder der Berliner Mauer mit Michail Gorbatschow, Ronald Reagan, Margaret Thatcher, die sich vor Mauerteilen haben fotografieren lassen.
Ich bemühe mich, so zu gucken, als fände ich das interessant, aber als hätte ich das nicht anders erwartet.
Er sagt, er könne die Mauer leider nicht an jeden x-beliebigen verkaufen. Die Reihe müsse stimmen. Er sagt nicht, dass wir aus dieser Reihe herausfallen – oder ein Scheich.
»Wie viele haben Sie noch?«
»250.«
»So viele?«
»Ja.«
Sie seien wohl gar nicht vom Stadtrand, die Teile, sondern aus der Mitte der Stadt, sagt er.
»Nicht vom Rand?«, frage ich, und er holt aus zu einer Geschichte, die mir erzählt, was für Zeiten das damals waren, und wie sein Kontingent wahrscheinlich vom Potsdamer Platz an den Stadtrand gelangt sein muss, wahrscheinlich.
»Was kosten die Teile?«, frage ich.
Er müsse sie nicht unter Wert weggeben, sagt er.
Ich schaue ihm in die Augen.
Dann sagt er, er mache einen Vorschlag, er würde sich jetzt gerne mit seinem Partner besprechen, ob wir da irgendwie zusammenkommen können.
Wir bedanken uns, und ich sage, dass es mich sehr gefreut habe, ihn kennenzulernen.
In der Nacht kommt es zu einem Telefonat zwischen Anne und mir. Ich bin sehr aufgewühlt, weiß nicht, ob es richtig ist, die Mauer zu verkaufen, oder nicht, weiß aber auch niemanden, den ich da auf die Schnelle fragen kann.
»Anne, stell dir mal vor, die würden uns wirklich die Rechte geben und ließen uns die verkaufen.«
Ich sage, dass ich mich gefragt habe, ob die Teile wirklich echt sind.
Anne sagt das auch.
Dann sage ich, dass das ja wohl einer geprüft haben müsse, wenn sich die ganzen Prominenten der Welt davorstellen.
Anne sagt das auch.
Dann schlafe ich ein.
***
Ich schlafe denkbar gut. Als ich aufwache, weiß ich, dass ich einen Traum geträumt habe, der besonders ist.
Ich gehe in die Küche, nehme einen Schluck Wasser und denke daran, dass ich gerade den Papst gewählt habe. In dem Traum standen Anne und ich auf dem Markusplatz in Venedig in einer Kaffeebar, und vor uns saßen vier Papstanwärter auf Pferden. »Einer von diesen vieren wird jetzt der Papst sein«, sagte der Mann neben mir und sah mich seltsam an. »Sie dürfen ihn wählen.«
Die Päpste vor mir saßen hoch auf ihren Pferden wie Ritter in Montur, bewaffnet mit Schwertern und Säbeln, mit rauschenden Bärten.
Anne sagte: »Mach du!«
»Der wäre nicht schlecht«, sagte ich und zeigte auf den ganz links. »Wenn wir den nehmen würden, gibt es dann auch eine Prozession?«, fragte ich.
»Nee, bei dem nicht, aber bei dem dort«, sagte der Mann und zeigte auf den dritten, der auch nicht schlecht aussah mit seiner silberblitzenden Uniform.
»Dann nehmen wir den«, sagte ich. »Wir machen ein großes Fest für die Leute. Alle sollen Spaß haben.«
Danach lief ich den Berg zur großen Prozession hoch. Bäume am Straßenrand, flanierende Pärchen.
»Hey, kommt, jetzt ist Prozession!« rief ich, und alle jubelten mir zu.
Würden wir wirklich reich werden?, fragte ich mich in der Küche. Mit der Mauer? Oder mit etwas anderem?
***
» Sie haben Angst vor einem Brief? Ihnen fehlen die richtigen Worte? Für den Stromanbieter, die Bewerbung, Ihren Exfreund? Wir, ein Berliner Autorenteam, schreiben Ihnen Ihre Post. Der Preis dafür ist kleiner als der Erfolg. «
Wir hängen Plakate auf, das heißt wir lassen sie aufhängen. Überall hängen schlichte weiße Zettel mit unserer Telefonnummer, vor allen großen Zeitungsredaktionen der Hauptstadt.
Sie haben nur ein Ziel: Medien-Marketing.
Eine kleine Schreibstube, die es noch gar nicht richtig gibt, schnell zum Erfolg zu führen, indem wir die Zeitungen auf uns aufmerksam machen, und dann, wenn sie über uns berichten, erwähnen wir ganz nebenbei weitere Geschäftszweige, die dieses Büro auch noch betreibt, die Gestaltung von Werbekampagnen, die Akquise von Sponsoring gegen interessante Prozente. »Da können dann schnell ein paar Tausender drin sein«, sagt Anne,
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