Reich kann jeder
laufen!«, ist er sich sicher.
»Da mache ich euch einen guten Preis!«
Wir handeln ihn noch von zwölf Euro pro Shirt auf zehn runter.
»Wir sind doch Nachbarn«, sagt er, und ich finde, dass alles, was groß wird, mit ein bisschen Glück beginnen muss.
»Das mache ich gerne«, sagt Annes Cousine, die Grafikerin ist, und setzt um unsere toten Babys im Blumenkasten einen rosa Rahmen mit Schleife drum.
»200 Euro würde das schon kosten«, sagt mein Bruder, der Informatiker, und legt kurz darauf den Hörer auf, nur um gleich danach zurückzurufen.
»Mein Mitbewohner macht dir das, du gibst uns mal einen Kasten Bier aus. Wozu sind wir denn Brüder?«
So hatte ich mir das vorgestellt. Die Seite www.fieses-land.de. Er wird sie uns programmieren.
Gleich am Sonntag fahren wir mit den ersten Entwürfen für unseren Online-Auftritt bei ihm vorbei.
»Brandenburg. Ein Land mit vielen Kindern – in Tiefkühltruhen und Blumenkästen«, beginnt der Introtext. »Ein Land, das Hilfe braucht. Helfen auch Sie! Tragen Sie: ›So fies ist Brandenburg‹, die Kollektion, die Brandenburg verändern soll.« Und endet mit: »Setzen Sie jetzt ein Zeichen! Es ist leichter, ein T-Shirt zu tragen als noch einen Sarg.«
Unsere T-Shirts wachsen und gedeihen, sie werden immer größer. Armes Brandenburg. Eigentlich ist es ja gar nicht so schlecht.
19,95 Euro, 24,95 Euro, 40,00 Euro – was dürfen Kult-Shirts kosten?
Eine befreundete Designerin, die sich mit Mode auskennt, schlägt 40 Euro als Verkaufspreis für die Shirts vor.
Ein Werbefreund sagt, dass die T-Shirts wie Coca-Cola seien, geringe Herstellungskosten, große Gewinnspanne, Marketing sei alles.
Was ist mit Marketing? Wir setzen uns abends ins Auto und fahren bis an die Ostsee, um auf gute Ideen zu kommen, im Auto kommen mir meist die besten.
Wir fahren in einer Mitternachtsaktion nach Rostock, Warnemünde, um den Kopf frei zu bekommen.
Freier Kopf denkt besser, freier Kopf freut sich übers Meer.
Die Vorschläge für das Marketing gehen ins Absurde.
Wir trinken Cocktails nur mit Saft und freuen uns über unsere Ideenliste:
–Berlins Ortsausgänge mit den Shirts zuhängen.
–Einen Typen mit Shirts vor die Redaktionen der Zeitungen stellen, und zwar so, dass die Lokalreporter ihn sehen.
–Einen empörten Leseranruf bei den Redaktionen vortäuschen (»Wissen Sie, was ich gerade gesehen habe? Es gibt jetzt T-Shirts mit den neun toten Babys im Blumenkasten.«).
–Die Shirts einem Brandenburger Abgeordneten im Wahlkampf zuspielen. Einem von der CDU, der sich aufspielt: »Meine Damen und Herren, so weit ist es schon gekommen.«
–Sämtliche Barkeeper der Stadt damit ausstatten.
–Eine Verkaufsaktion vor dem Landtag in Potsdam, bis wir vertrieben werden unter lautem Geschrei.
–Auf die Homepage schreiben: Ein Euro geht an den Berliner Senat zur Förderung der Menschlichkeit in Brandenburg. Den Eindruck erwecken: »Hey, Leute, Berlin steckt da mit drin!« Und die Shirts zum Politikum machen.
–Die Shirts auf den roten Teppich bei einer Filmpremiere werfen.
–Einen Komiker finden, der die Shirts auf dem roten Teppich trägt.
–Die Shirts selber auf einem roten Teppich tragen.
–Bei jedem Baumunfall mit den Shirts auftauchen.
Es wird eine ganz entspannte Rückreise. »So fies ist …« lebt.
Noch ist es nur eine Brandenburger Idee. So fies kann Kleidung sein. Es kann funktionieren, es klappt, es wird schon.
Die Blätter an den Bäumen werden schon ein bisschen kräuselig.
»Werden die etwa schon bunt?«, frage ich mich. Wir müssen uns beeilen.
»Gehen T-Shirts auch im Herbst?«, denke ich kurz. Hätten wir damit nicht schon eher anfangen müssen? Timing. Business ist Timing.
Der Himmel ist grau am nächsten Tag, wer jetzt noch T-Shirts kauft, wird lange frieren. Das ist es, was ich denke.
Wenigstens zwitschern noch die Vögel.
Drei Häuser neben dem T-Shirt-Hof stehen ein Avis-Umzugswagen und eine silberne Auto-Kiste, fünf Wohnmobile groß. Und es blitzt in einem fort. Ein Shooting in einer Kneipe. Es blitzt immer und immer wieder. Blitz, blitz, blitz.
Zwei schwarzhaarige Damen, eine mit Kind, im Kneipenfenster sind das Objekt der Kamera-Begierde.
Juri, denke ich, das könnte Juri sein.
»Ach, schon wieder eine Fotoproduktion«, sagt eine Frau, die an mir vorbeigeht. »Jeden Tag wird hier irgendwo irgendwas fotografiert oder gedreht!«
Eine Spanierin trägt schon Pudelmütze.
***
Annes Nachbar lobt uns, wir hätten schon von ganz
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