Reich kann jeder
Grüße
Ihre Anne Nürnberger
***
Als Anne entdeckt hatte, was für ein nettes Riesenressort unser Sponsor auf Mallorca hat, mit eigenem Golfplatz, Wellness, Massage und Doppel-Pool-Landschaft, war klar, dass wir da hinmüssen, dass das der richtige Ort ist, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Wo es schön ist und die Kundschaft spendabel.
»Beine schulterbreit, ein bisschen in die Knie. Die linke Hand unten am Griff, den Zeigefinger einhaken!«, sagt Anne und steht in ihren neuen Lacoste-Schuhen und im Poloshirt neben mir auf dem Golfplatz.
»Eine Bewegung«, ruft einer, der mich beobachtet und sich wirklich damit auskennt. »Der Ball muss durch eine Bewegung fliegen. Als würdest du durch ihn durchhauen«, ruft er. Es müsse leicht sein, die Arme gerade hoch. »Hoch«, ruft er. »Hohoch!«
Es ist so schwer.
»Ein Stück zurück, Rücken gerade, in die Knie!« Ich kann mich nicht so richtig auf das Spielen konzentrieren, weil ich immer an heute Nachmittag denken muss.
»Ja, natürlich heirate ich sie, ich liebe sie doch!« Kann ich das wirklich immer wieder sagen, funktioniert mein Ich-bin-ja-so-verliebt-Blick? Und kann Anne das aushalten, ohne zu kichern?
»Den linken Arm einknicken, den rechten dürfen Sie gerade lassen.«
Dann höre ich es doch noch, dieses eigenartige Aufheulen, bevor mein Schläger den Ball trifft. Und das metallische Klicken. Getroffen!
Was sind das für schöne Sekunden, den Ball fliegen zu sehen in Richtung der Hügel, denke ich. Bis er sich wieder senkt, ganz hinten erst, kaum noch erkennbar.
»Richtig Golf musst du schon können, wenn du es schaffen willst«, sagt Anne und lächelt unseren selbst ernannten Trainer an. Woher sie das schon wieder hat, die Braut, die schon morgens vorlaut ist.
Mein Schläger ist so kurz, denke ich und frage mich, wie Tiger Woods damit 300 Meter weit schlägt. Ich glaube, bei meiner Größe brauche ich Spezialschläger. Teuer. Teuer. Teuer.
»Man hört die guten«, sagen die Leute auf dem Platz. »Wenn sie ganz leicht wegzischen, sind sie richtig gut.« Meine sind alle ein bisschen metallisch.
Neben mir die Gören im Golfpullover mit ihren Baseballcaps und den Sonnenbrillen, die machen eine entschieden bessere Figur als ich. Und ich denke, das wissen sie auch. Aber heute Nachmittag, da sind keine Kinder, da sind nur Anne, die Sehnsucht nach Liebe und ich.
Nach dem Golfen hocke ich auf einem der edlen Landhaus-Sofas in der Lobby und kontrolliere meinen Teint, ob meine Haut die Sonne abkann und ob ich jetzt Leberflecke kriege.
Ich habe das neuerdings so, dass ich lieber noch ein zweites Mal nachschaue.
Anne besorgt weiße Blätter und Textmarker für unser Vorhaben. »Wenn Sie bis 20 Uhr 500 Euro spenden, heiratet er sie«, soll auf unserem Schild stehen.
Er bin ich.
Sie ist sie.
»Ah, stark aufgebrezelt«, höre ich die nette Dame von der Hotel-PR anerkennend sagen. »Wir haben im Hotel leider keine Klapptische, ich habe jetzt einen kleinen Beistelltisch von zu Hause mitgebracht«, sagt sie und stellt die Champagner-Gläser drauf. Ich sehe Weintrauben, Oliven, schwarze und grüne, Kuchen, Porzellan.
Anne trägt ihr weißes Kleid – wie eine Braut.
»Anne, zieh dir deine Brioni-Jacke über, falls es kalt wird«, bitte ich sie. »Nicht Brioni, Missoni«, herrscht sie mich an. Mein Anzug sitzt tadellos, auch die Krawatte. Perfekt sehe ich aus. Wie ein echter Hochzeitskavalier.
»David bringt euch dann nach Palma!«, sagt die Dame von der Hotel-PR, verschwindet, kommt noch mit ein paar Blumen, während ich mit Anne die Agenda durchgehe.
»Wenn einer fragt, Anne, wie das kam: Heute Morgen beim Frühstück hatten wir die Idee. Du bist geschieden, gerade frei, hast mich gefragt. Ich habe gezögert. Habe gesagt: Nur, wenn du das Spiel mitmachst.«
Wenn sie jetzt sagen würde, komm, vergiss es, dann würden wir es lassen. Ich hoffe, dass sie fragt. Aber sie fragt nicht, ich gucke in den Himmel: Er zieht sich zu.
Es darf nicht regnen, das wäre ja voll daneben, wenn es jetzt regnet, denke ich im Auto und versuche David anzurufen, der im Hotelbus vor uns fährt.
»Hier?«, fragt er und hält an der Strandpromenade.
»Nein«, sage ich.
Dann stoppt David im Halteverbot unterhalb der Kathedrale vor einer gewaltigen Freifläche, schnell alles raus, den Tisch, die Decke, den Champagnerkühler.
»Ich hätte nie gedacht, dass du das machst«, sage ich zu Anne. Aber Anne sagt nicht: »Das ist mir auch zu heiß.«
Eine Fontäne
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