Reich kann jeder
würde das nicht gerne? Wer wäre da nicht gerne dabei?
Mehr Action. Wir stoßen an.
»Auf die Liebe.«
»Auf alles, was kommt.«
Die Menschen zücken die Kameras, es blitzt, wir posieren mit erhobenen Gläsern. Jemand klatscht. Wir gucken uns in die Augen und bieten den Leuten, was sie sehen wollen.
Da, die Blonde. Sie bleibt stehen. Sie macht Fotos. Einen Euro schmeißt sie rein. Braves Mädchen.
»Das ist ja schräg«, ruft eine. »Wenn die sich lieben, warum heiraten die nicht einfach so?«
»Nicht im Ernst?«
»Nicht wirklich?«
»Ihr spinnt doch!«
»Doch, doch! Das ist ein Spiel!«
Stehen. Gucken. Schmunzeln. Klingeling.
Menschen in Shorts zeigen mit dem Finger auf uns, sie nicken uns zu mit ihren Eiskugeln und Sonnenbrillen. Sie amüsieren sich – mit uns.
50 Meter vor mir auf den Stufen. Ein Ehepaar sitzt da, beobachtet uns. Sie guckt, er guckt. Sie warten auf einen Fehler oder die versteckte Kamera.
Sie guckt, er guckt. Dann stehen sie auf, schnell. Kommen beide auf uns zu.
Ich rechne damit, dass sie sagen: »Jetzt hört mal auf mit eurem Theater.«
Von wegen.
»Lustig seid ihr«, sagt die Frau. Und gibt uns Geld.
Der Urlaub ist der optimale Ort für so ein Gefühl, denke ich.
»Das ist eine Sehnsuchtsnummer«, flüstert Anne. »Die Menschen haben alle so viel Sehnsucht, alle sehnen sich danach, wie es früher bei ihnen auch mal war.«
Da kommt eine große Gruppe, eine Busladung aus Hessen, die mit dem Bus durchs Meer gefahren sein muss, bis sie hier war. Sie alle posieren wie zum Fahnenappell neben unserem Tisch, mustern uns und gucken uns an. Sie lachen, sie lachen laut und ein bisschen gemein.
»Lieber nicht heiraten«, ruft eine und streckt den Finger zu mir aus.
»Wieso?«, rufe ich. »Ich liebe sie!«
Dann ist der Spaß vorbei. Von hinten kommt die Polizei. Ganz langsam schleicht ein Einsatzwagen auf uns zu.
»Nicht umdrehen«, flüstert Anne – und ich spüre: Gleich ist alles vorbei.
Das war’s.
Ich habe mal einen Film gesehen, in dem deutsche Touristen lange auf der Wache bleiben mussten. Der Film spielte auf Mallorca. Und keiner konnte Deutsch.
Der Wagen kommt näher. Ich kann ihn hören, wie er sich an uns ranknirscht.
»Ich liebe sie«, sage ich in die Menge. »Ich liebe sie.«
Und stupse Anne unterm Tisch, trete sie.
»Das Glas hoch, Anne. Das Glas hoch!«
Wir stoßen an, als ich im Augenwinkel ein Rad sehe, das zu einem weißen Wagen gehört. Es bleibt stehen. Der Wagen hat angehalten.
»Zum Wohl, Anne«, sage ich. »Auf die Liebe!«
»Zum Wohl«, sagt Anne.
Zwei zitternde Menschen gucken sich in die Augen. Ich nippe und stelle das Glas wieder hin.
Ich sehe jetzt einen Uniformierten, der links aus dem Fenster guckt, und einen, der rechts aus dem Fenster guckt.
Na kommt schon, denke ich.
Kommt doch, nehmt uns fest.
Dann geht ihr Motor wieder an, die Scheibe hoch. Sie lassen uns mit unserem Hut alleine.
»Hast du ihr denn schon einen Antrag gemacht?«, fragt mich ein kleines Mädchen.
»Klar habe ich das.« Für die nächsten 20 Minuten fällt mir das Lügen leichter.
Ein Vater, locker den Pulli um die Schultern, seine Tochter blond mit Zahnlücke.
»Soll man diesen Fehler jetzt auch noch unterstützen?«, fragt er. »Wieso Fehler?«, frage ich so irritiert es geht. »Haben Sie mit Ihrer Hochzeit einen Fehler gemacht?«
»Er nicht«, antwortet seine Frau. »Ich!«
Zwei Minuten später kommt ihre Kleine wieder mit einem Zwei-Euro-Stück und umarmt Anne.
»Hier«, sagt sie. »Für den Mut, den ihr habt.«
Es läuft. Unser Hut füllt sich mit Kleingeld. 50 Euro schätze ich, 70 schätzt Anne. Das Schwarz unten ist nicht mehr zu sehen. Es ist gegen 16.45 Uhr – noch drei Stunden und 15 Minuten, denke ich. Jede Minute Zeit ist Geld.
Eine Spanierin mit dicken, schwarzen Haaren.
»Ihr müsst doch auch ein spanisches Schild aufhängen«, rät sie uns auf Englisch – und verschwindet Arm in Arm mit ihrem Freund. Drei Minuten später ist sie wieder da. Mit einem spanischen Schild und einem katalanischen, selbst gebastelt.
»Muchias Felicitas!«, wünscht sie. »Viel Glück!«
Beide umarmen uns, fragen, ob sie von unserem Kuchen probieren dürfen, sie dürfen, sie machen Fotos von uns – und hängen uns das zweite Schild auf, weil wir ja nicht aufstehen dürfen, weil sonst die Romantik futsch ist.
Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, heißt es. Die beiden Polizisten. Ihr Wagen, diesmal bleibt er direkt neben unserem Tischlein stehen. Die
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