Reich kann jeder
sein, um halb elf kommt die nächste SMS von Anne: »Die stehen noch im Stau!«
Ich gehe zum Bäcker, esse in den Allee-Arkaden eine Bulette mit Kartoffelsalat. In der U-Bahn kommt um 11 : 03 Uhr die nächste SMS. »Sind weg. War gut!«
Was gut bei Anne heißt, denke ich. Es ist das erste Mal, dass wir 60 000 Euro kriegen. Ich fühle mich, als müsse ich bei der nächsten Wahl die FDP wählen. Eigentlich bin ich jetzt schon Guido Westerwelle.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn plötzlich Geld kommt, für das man nicht gearbeitet hat. Das einfach runterregnet.
Es ist ein erhabenes Gefühl, man stellt sich über die Arbeitenden und denkt: Irgendetwas mache ich verdammt richtig, dieser ganze Stress, der Rücken, jetzt lohnt es sich.
Nicht aufhören soll es, einfach weitergehen.
Dann bin ich im Büro, und Anne ist endlich auch da, mit Kaffee für sich und Cappuccino für mich, geholt vom Bäcker.
Ihr Blick ist klar und aufgeräumt. Sie sieht zufrieden aus.
»Wir hatten alles perfekt vorbereitet. Mein Mann hat extra noch eine Miles-Davis-CD aufgelegt. Er hat alles so zufällig dekoriert für die. Da standen noch Schuhe rum, so loft-lässig.«
Super, denke ich. Alles gut gemacht.
Vojta wäre stolz auf dich.
»Die waren zu dritt, eine Producerin mit Pferdeschwanz und Parka, so eine Zackige, die Aufnahmeleiterin, so eine lustige Dicke, und ein Typ mit Bart, der Ausstatter. Der Location-Scout war ganz glücklich, dass er uns präsentieren durfte.«
»Und dann?«
»Es war echt schräg. Die eine, ich glaube die Producerin, schlich gleich um die Säulen rum. ›Mist, die sind ein Problem.‹ Sie redeten die ganze Zeit vom toten Winkel, liefen alles ab. Ich habe ihnen gesagt: ›Ihr könnt hier fast alles machen!‹« Sie habe ihnen sogar angeboten, eine Wand zu ziehen vor dem Schlafzimmer, damit die Kamera dahinter verschwinden könne.
Ich nippe an meinem Becher, sehr gut, sehr gut!
»Der Typ war total aus dem Häuschen. ›Perfekt, perfekt.‹ Das sei dann die Big-Brother-Lösung, hat er gesagt.«
Die Producerin hätte sich aufs Sofa geschmissen. »Ah, so ein Sofa will ich auch!«
Der Ausstatter meinte: »Wenn ihr mal ein neues Sofa braucht, ich habe super Kontakte. Ich besorge euch eins.«
Dann sind sie endlich weg, Annes Mann hat noch an der Tür gehorcht, ob sie was sagen, und gehört, wie ihre Stimmen leiser wurden.
»Die fanden das Ding total cool. Wow, fanden die das gut. Die kommen noch mal wieder.«
»Wann fällt die Entscheidung?«
Anne hält ihren Kaffee fest, hat die Beine übereinandergeschlagen. »Diese Woche!«
Heute ist Montag.
Diese Woche – das ist eine ziemlich lange Zeit!
Wir sind gerade beim T-Shirt-Mann, da klingelt das Telefon, der Location-Scout mit aufgeregter Stimme. »Es klappt wahrscheinlich!«
Der Ausstatter habe leider seine Papiere liegen lassen, er komme noch mal zurück, um sie zu holen. In 20 Minuten.
Er kommt und sagt, es seien nur noch zwei andere Lofts im Rennen, und die seien beide nicht geeignet.
»Ihr seid ganz vorne!«
Alles ist ganz wunderbar. Es ist so wunderbar, wie man sich das nur vorstellen kann. Einzig die Summe, die ist jetzt ein bisschen kleiner.
Der Dreh wurde verkürzt. Und für die Auf- und Abbautage zahlen sie nur die Hälfte. Aber, na und?
***
Bin ich noch normal? Ich muss jetzt immer öfter ins Auto steigen und einfach fahren, über die Hügel, durch die Felder, Gas geben, schalten. Ich will dann keine Menschen, ich liebe die Natur, die Bäume. Große Bäume, alte. Nie war ich den Menschen so fremd wie in den letzten Wochen. Ich komme mir vor wie eine eigene Spezies.
»Du bist ein Jan«, sagt Anne.
Ich komme mir so zerrissen vor. Man gehört nicht mehr dazu zu den Menschen, zu denen man vorher gehörte, aber auch noch nicht richtig zu den anderen.
Es liegt eine Verletzung in diesem Gefühl, ein bewusstes Auf-Abstand-Gehen. Wie ein Wolf beinahe.
***
Wir steigen ins Auto und fahren. Wir fahren lange, bis wir in Starnberg sind. Es ist anders diesmal, die Hecken kommen mir nicht mehr so hoch vor, durchlässiger. Die schweren schmiedeeisernen Tore nicht mehr abweisend, sondern schön.
Über die vielen Prominenten, die alle schon bei ihm waren, wolle er nicht sprechen, sagt mir der Schlossherr vom Schlosshotel Oberambach, als wir vor seinem neuen Badeteich stehen. »Ein Hotelier genießt und schweigt.« Und dann erzählt er uns trotzdem von dem Comedy-Star, der bei ihm geheiratet hat, von den Adeligen, von Tina Turner, von Azzaro,
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