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Reich kann jeder

Reich kann jeder

Titel: Reich kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Anne; Rentzow Nürnberger , Anne Nürnberger , Jan Rentzow
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Uniformierten telefonieren mit einer Art Funkgerät.
    »Gleich ist das Geld weg«, sagt Anne.
    »Gleich ist Knast«, sage ich. Drei Minuten bleiben sie stehen. Wir gucken weg, weg, weg, nur ihnen nicht ins Gesicht. Dann heult der Motor ein zweites Mal auf, sie fahren weiter.
    Gut, dass wir das Schild haben, denken wir, das spanische. Ohne wäre es das gewesen, aber jetzt gibt es die Sehnsucht auch auf Spanisch.
    Immer mehr Spanier kommen jetzt. Mallorquinerinnen werfen mir Kusshände zu und Münzen in den Hut. Ich glaube fast, es tut ihnen leid, dass der große Deutsche mit den schönen blonden Haaren jetzt eine andere Deutsche heiraten wird und keine von ihnen.
    Auch spanische Jungs ziehen vor Hochachtung den Hut – und mustern meine Anne. Auch sie werfen Geld für uns ab, fast im Vorübergehen.
    Eine Spanierin im Tuchrock macht mit ihren Händen eine Wiege und fasst sich an den Bauch. Eine andere packt uns gleich eine Windel in den Hut.
    Ich glaube, in Spanien wird nur geheiratet, wenn die Frauen schwanger sind. Eine Spanierin möchte mich küssen, und ich lasse sie gewähren. Sie riecht gut.
    Ich wühle das erste Mal im Hut. Anne dekoriert den Tisch, damit er noch ein bisschen voller aussieht. Es ist 17 Uhr, der Wind hat aufgefrischt, aber ich genieße es.
    Zwei Spanierinnen plappern auf mich ein, obwohl ich sie nicht verstehe und sie merken, dass ich sie nicht verstehe.
    »Wenn man heiratet, muss man doch auch mal peinliche Situationen durchstehen«, sage ich zu einer Oma, und die Oma übersetzt ins Spanische.
    Ein Ire fordert die Hochzeit ein.
    »Marry her!«, fordert er mich auf und ballt die Faust in meine Richtung. Ich solle Anne auf jeden Fall heiraten, auch wenn wir nur 370 Euro verdienen.
    »Nein«, sage ich.
    »You should«, sagt er.
    »Okay!«
    »Ich heirate sie sowieso«, sage ich danach, wenn es wieder Kritik an uns gibt, und die Leute sind danach noch entzückter, jetzt, wo sie nur noch Liebe sehen. Mich, Anne und die Liebe. Einen, der dringend aufs Klo muss, und seine Geschäftspartnerin.
    Immer mehr Leute bleiben jetzt stehen, wir sind wie ein Zirkuspferd, nur zu zweit und verliebt. Weiter hinten spielt ein Straßenmusiker Saxofon, aber er hat heute nicht so viel Glück mit dem Verdienst.
    Ich erfahre von einem Mann namens Herbert, dass er sich hat scheiden lassen, als ich die ersten Haribo kriege. Ich tausche die Haribo gegen den Hochzeitsmarsch, den ein Mädchen für uns anstimmt.
    Ein Fotograf im Rollstuhl kommt ganz dicht an Anne ran, als das Licht schon abendgelb ist, und flüstert ihr ins Ohr: »Ich habe mein ganzes Leben lang Hochzeiten fotografiert. Ihr seid so ein süßes Bild!«
    Er hebt die Kamera, rollt davon in den Abend von Mallorca und hat für unser Glück 50 Euro dagelassen.
    Es ist dunkel, noch eine halbe Stunde bis zur Entscheidung. Die gelben und weißen Lampen werfen glänzende Streifen auf das Bassin. Die Kathedrale leuchtet weiß in den dunkelblauen Himmel. Die Fontäne sieht aus wie Silberregen, und Anne sagt, dass das heute ein Tag ist, den sie nie vergessen wird.
    »Ach, Anne«, sage ich und gucke sie an, und sie sagt: »Wirklich!«
    Ein bisschen Salz liegt in der Luft, als wir das Geld zählen, das schon längst nicht mehr das Wichtigste ist.
    Weil da die Freude ist, dass es das noch gibt, so viele Menschen, die verliebt sind. Die an die echten Gefühle glauben, die uns, Fremden, von ihren Anträgen erzählen.
    Und von der Schwangerschaft.
    Dem Glück nach dem Glück.
    Noch nie, denke ich, noch nie habe ich an einem Tag so viel mit so vielen Menschen über die Liebe gesprochen.
    »278,30 Euro«, sage ich.
    Dann bin ich wieder der Alte, baue den Tisch zusammen, alles in die dafür vorgesehenen Kisten.
    »Wie viel es wohl gewesen wäre, wenn jetzt Hochsaison gewesen wäre, das Wetter besser?«, frage ich Anne. »Wenn wir schon morgens angefangen hätten, gleich um zehn, und das Spiel bis 21 Uhr gespielt hätten?«
    »Ach, Jan«, sagt Anne.
    »Man könnte das Spiel perfektionieren«, sage ich. »Die Oliven könnte man morgen wieder mitnehmen, die werden nicht schlecht. Das Wasser kostet nicht viel, das Brot auch nicht. Und Schampus könnte von Sekt keiner unterscheiden.«
    Anne senkt den Kopf und ist ein bisschen traurig.
    »Man könnte in unauffälligen Momenten die Summe aufstocken, damit es mehr aussieht, und scheinbar die Chancen auf eine Hochzeit steigern.«
    »Man könnte gleich am Anfang mehr Kleingeld reinlegen, damit die Hürde nicht so groß ist, der Erste zu

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