Reich kann jeder
sei nicht nur Status, um anzugeben, lese ich. Status sei ein Erkennungssymbol nach dem Motto: »Ich habe auch eine große Uhr, ich nehme dir nichts weg, ich habe selber.« Statussymbole, die zeigen, dass man sich nicht unterscheide von ihnen, die nähmen den Reichen die Angst und seien deshalb zwingend erforderlich.
Noch haben wir viele Schwächen, die unsere Herkunft verraten, denke ich, und das beunruhigt mich. Anne kleckert bei jeder Gelegenheit, ich nuschele, wenn ich nervös bin oder nachlässig. Anne ist manchmal zu laut. In Starnberg hat sie eine Bananenschale aus dem Autofenster geworfen, und ich bin fast ausgeflippt.
Wenn wir wirklich reich werden wollen, brauchen wir da nicht noch Hilfe?
Sollten wir nicht Experten finden, die uns alles zeigen? Wenn wir denen schreiben würden, dass wir an unserem Beispiel zeigen wollen, wie man erfolgreich wird, und dass wir mit ihrem Wissen allen anderen beweisen wollen, dass das geht, würden sie uns dann helfen?
Vojta. Im Internet finde ich Norbert Vojta, einen TV-Coach, der sehr interessant klingt. Er muss ein Star in der Branche sein, er sorgt dafür, dass deutsche Manager und Politiker die Aura kriegen, die sie brauchen, um erfolgreich zu sein. Er war mal in der Redaktionsleitung einer Show von Thomas Gottschalk.
Würde der da mitmachen?
Lieber Herr Vojta. Wir könnten nicht anders, es gehe um den Erfolg, schreiben wir, wir müssten uns an den Besten wenden. Ob er uns nicht helfen wolle und mal in Berlin sei? Wir lachen dabei, wie mir die Zeilen in den Rechner fließen.
Wir legen Postkarten-Bilder von uns bei, ich im Poloshirt auf einem Kinderbauernhof fotografiert, Anne am schicken Glas-Schreibtisch eines Möbelhauses.
Super sympathisch, super seriös.
Die Bilder legen wir jetzt überall bei, weil Anne denkt, dass man uns auch sehen muss, man lese doch nicht nur, man gucke sich die Leute auch gerne an, bevor man ihnen etwas zusagt.
An den großen Freiherrn Knigge wenden wir uns, Ur-Ur-Nachfahre des Benimmpapstes, Erfolgs-Trainer. Ich bin schon beim Schreiben nervös, weil mir der Name wirklich Angst macht.
Gerne würden wir ihn zu einem gemütlichen Abend ins »Grill Royal« einladen, schreiben wir. Ins beste Restaurant der Stadt, wenn schon, denn schon.
»Es wäre uns eine Ehre, in wenigen Stunden so viel wie möglich über die Welt der Etikette zu erfahren und uns Ihrem strengen Urteil zu stellen.«
Wir haben nicht den Hauch einer Ahnung, ob er ins beste Restaurant geht, vielleicht bestellt er lieber und isst zu Hause.
Dann haben wir jetzt Pech.
Die Gloria von Thurn und Taxis mit dem Schloss am See. Anne fragt, ob das nicht eine besondere Fügung wäre, wenn ausgerechnet ihr kleiner Bruder, der Alexander von Schönburg, mir jetzt zeige, wie guter Small Talk geht.
Sie kenne den von früher, von der Zeitung, der mache uns das bestimmt sehr angenehm.
»Was?«, frage ich erst. »Du spinnst ja!«
Dann sagt sie: »Lies mal seine Bücher! Niemand kann Geschichten spannender erzählen. Der ist ein King in so was.«
Ich lese den King, er ist wirklich komisch.
Er sollte mal bei der Karajan-Witwe schlafen, in Herberts Bett. Er wand sich. Er hat behauptet, er mache im Bett des Titanen kein Auge zu. Sie war hartnäckig. Den nächsten Tag lud sie ihn ohne Badehose in ihren Pool ein.
Es sind Geschichten, die man gerne hört, aber sie machen mir schon ein bisschen Angst. [1]
Jeden Tag renne ich dreimal zum Briefkasten und schaue, ob der Herr Vojta geschrieben hat, und würde eine Absage als Zeichen sehen. Aber es gibt noch keine Absage.
Anne lädt mich zu sich nach Hause ein und führt mir ihre Garderobe vor.
»Geht das?«
»Guck mal!«
Sie wirkt so unschuldig in ihrem Bemühen, reich auszusehen. Nicht alle Kleider sind lang genug.
***
In einem tollen gelben Blümchenkleid trifft sie im Coffeeshop eine große Berliner Society-Lady, die wenig Zeit hat. Laura Reinking ist eine Gastgeberin mit eigener Kolumne und so viel Geschmack, dass sie alle berät.
Der fällt fast der Cappuccino runter, als sie davon hört, dass sie uns helfen soll. Es dauert keine zwei Minuten, dann sagt sie zu. »Ja, wirklich«, das mache sie gerne.
Eigentlich sind wir jetzt schon reich, denke ich kurz. Wir haben jetzt eine ganz persönliche Kleidungs- und Stilberaterin.
Sie soll nächste Woche schon mal kommen!
Es geht los, denke ich. Ich weiß auch nicht so genau, was los geht, und möchte die Zeit festhalten.
Wir haben jetzt einen Agenten, der dafür sorgen will, dass wir
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