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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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    Jacobson ging in sein Büro hinauf. Der Polizeiarzt würde vielleicht zwanzig Minuten brauchen, um Mortimer in Augenschein zu nehmen. Zeit, dachte Jacobson, um die Ereignisse Revue passieren zu lassen und eine Strategie zu entwickeln. Träge griff er nach dem akkurat ausgefüllten gelben Formular, das oben in seinem übervollen Eingangskorb gelandet war, als der Postbote vor zwei Stunden angerufen und den Alltagsbetrieb des Präsidiums durcheinandergebracht hatte.
    Der Ereignisbericht wurde zweimal alle vierundzwanzig Stunden herausgegeben und enthielt knappe Zusammenfassungen aller Vorfälle, die in den verschiedenen Polizeidienststellen Crowbys während der vorangegangenen zwölf Stunden registriert worden waren. An einem gewöhnlichen Morgen ohne Leiche war dieser Bericht Jacobsons Bibel, die Basis, auf der er die bestehenden Untersuchungen fortführte und neue Fälle anging. Er überflog die gewohnt langweilige Aufzählung von Einbrüchen, Pub-Schlägereien (gestern war Freitag gewesen), unsittlichen Entblößungen und Autodiebstählen. Er brauchte weniger als dreißig Sekunden, um den Namen Mortimer in Verbindung mit dem Polizeikode für eine Körperverletzung zu entdecken.
    Der Anruf war um Mitternacht eingegangen, vierzig Minuten später war der Beamte vor Ort gewesen. Nicht schlecht fürs Hinterland, dachte Jacobson. Die Wache in Wynarth war vor ein paar Jahren geschlossen worden, und seitdem gehörte das Umland bis zur Grenze des Countys mit in den Verantwortungsbereich des Präsidiums. Was völlig in Ordnung gewesen wäre, hätte man ihnen dafür zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Jacobson lokalisierte sein Telefon zwischen den Papier- und Unterlagenstapeln und stieß dabei ein halbes Dutzendungelesene Exemplare der ›Police Gazette‹ auf den Boden. Na ja, Weltfriede und ein globaler Schulterschluss waren ebenfalls wünschenswert – und ebenso unwahrscheinlich. Alles, was das Präsidium leisten konnte, war, eine einzelne Streife, einen mit einem Constable besetzten Wagen, durch das ländliche Revier zu schicken – zumindest gelegentlich. Nach einem Anruf beim wachhabenden Beamten und einem weiteren beim Schichtleiter der letzten Nacht, den er aufweckte und der nur brummig auf seine Fragen antwortete, wusste Jacobson nicht nur, welcher Beamte der Sache letzte Nacht nachgegangen war, sondern auch, dass er sich möglicherweise noch im Gebäude befand: PC Ogden war offenbar nach der Schicht noch geblieben, um seinen Bericht zu schreiben und seinen Schreibtisch in Ordnung zu bringen. Ein Vorbild für uns alle, dachte Jacobson grimmig.
    Er fand ihn in der Kantine und machte sich nicht einmal die Mühe, den Verlockungen einer Portion Pommes mit Spiegelei zu widerstehen. Als er das letzte Mal etwas länger, nicht nur im Vorbeigehen, mit Ogden gesprochen hatte, lag der nach dem Roger-Harvey-Fall im Krankenhaus. Das war vielleicht vier Jahre her. Er hatte damals gerade erst seinen Dienst angetreten und war noch lange nicht der selbstbewusste, flott aussehende Beamte, zu dem er sich mittlerweile entwickelt hatte.
    Ogden setzte Jacobson ins Bild, während der sich an seinem zweiten Frühstück oder frühen Mittagessen gütlich tat. Wie es schien, hatte es in Boden Hall ein großes Sommerfest gegeben. Einer der Gäste hatte dabei seine Frau geschlagen und zwei Männer, die ihn stoppen wollten, mit Kopfstößen niedergestreckt.
    »Als ich kam, war alles schon gut eine Stunde vorbei, Sir. Ich glaube, es hatte eine Diskussion darüber gegeben,ob die Polizei überhaupt verständigt werden sollte. Die beiden jungen Männer, die er erwischt hat, wollten jedenfalls keine Anzeige erstatten. Denen war das wohl zu peinlich.«
    Jacobson spießte zwei dicke, fettige Pommes mit der Gabel auf.
    »Aber Sie haben sich die Namen und Adressen trotzdem notiert?«
    »Natürlich, Sir. Offenbar hat uns Geoffrey Trayner persönlich verständigt. Obwohl er selbst nichts von der Sache mitbekommen hat, weil er gerade in der Bibliothek eine   ... eine Versteigerung durchführte, als es zu dem Vorfall kam.«
    Jacobson schob dem jungen PC sein Notizbuch über den Tisch.
    »Schreiben Sie Namen und Adressen da hinein. Ich nehme an, Ihre Zeugen sind absolut sicher, um
wen
es sich bei dem glücklichen Paar handelte?«
    »So schien es, ja. Ich habe ein halbes Dutzend Namen, und alle sagten, es seien Gus Mortimer und seine Frau gewesen.«
    »Sie dachten also daran, den Fall weiterzuverfolgen?«
    »Wenn ich die Möglichkeit

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