Reich und tot
Observierung, wenn Johnson im Heim war, und eine altmodische Beschattung, wenn er sich nach draußen bewegte. Dennett blieb zunächst noch in Position hinter dem Stativ mit dem Zeiss-Teleskop.
»Mir auch, Mann«, antwortete er, ohne den Blick abzuwenden.
»Hoffen wir, er geht nicht wieder bloß zu Londis. Der Mistkerl will wahrscheinlich nur sehen, ob die Wochenzeitung für perverse Irre eingetroffen ist.«
Kevin Holland hockte immer noch auf dem roten Plastikstuhl. Mittlerweile hatte er sich von Inces Brandy zu einem löslichen Kaffee vorgekämpft, wenn das denn das richtige Wort dafür war. DC Emma Smith hatte sofort erkannt, dass er genau der Typ Straßenköter war, den sich eine unglücklich verheiratete Frau sicher gerne ins Bett holte. Selbst unter den gegebenen Umständen strahlten seine Augen eine lockere, freundliche Verschlagenheit aus, wenn er sie ansah, und selbst unter den gegebenen Umständen verspürte Emma den Wunsch, seine Dreadlocks zu befühlen und ihre grobe Textur zu erkunden. Sie schlug einen Spaziergang im Garten vor, damit er den Kopf wieder freibekomme. Er zuckte teilnahmslos mit den Schultern und fragte zum zwanzigsten Mal, wann er Jenny Mortimer sehen könne.
»Kevin . . .«, sagte Emma und fragte dann, ob es okay sei, wenn sie ihn mit dem Vornamen anrede.
Wieder das Schulterzucken.
»Kevin«, sagte sie noch einmal. »Ich will ehrlich mit Ihnen sein. Sie haben Jenny in die Leichenhalle gebracht. Heute Nachmittag nehmen wir eine Autopsie vor, und es gibt noch einige andere Formalitäten zu erledigen. Vor heute Abend wird Sie niemand zu ihr lassen. Gewöhnen Sie sich an den Gedanken.«
Sie gingen den gleichen Weg, den Jacobson und Kerr gegangen waren. Holland und Emma Smith vorne, hinter ihnen DC Williams, als eine Art Gefolgschaft. Beim Swimmingpool blieben sie stehen.
»Haben Sie das alles angelegt, Kevin?«, fragte Emma.
Holland nahm die Gießkanne, die Jacobson umgetreten hatte, und stellte sie zur Seite.
»Der Garten des Seelenglücks«, sagte er. »Wenigstens hätte er es irgendwann werden können. Allerdings denke ich, dass er mich sicher nicht mehr hier hätte arbeiten lassen, wenn Jenny zu mir gezogen wäre.«
Emma warf einen Blick über die Schulter zu Williams. Sein Gesicht sagte ihr, dass er das auch so sah.
»Das war also der Plan? Dass sie zu Ihnen ziehen sollte?«
»Das war der Plan, Frau Polizistin«, sagte Holland. »Sie sollte mir gestern eigentlich per SMS mitteilen, wo und wann wir uns treffen würden. Deshalb bin ich hergekommen. Weil ich nichts gehört hatte. Ich wusste, dass er lockere Fäuste hat, aber dass er . . .«
Sie hörte, wie er sich bemühte, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Ich hätte nie ... nie gedacht, dass es so weit kommen könnte.«
»Mr Mortimer hat sie also früher schon geschlagen?«
»So hat sie’s mir erzählt. Wenn er Probleme mit seiner Geschäftsscheiße hatte, ließ er es an ihr aus. Ansonstenignorierte er sie und ließ sie in diesem großen, hässlichen Kasten allein.«
Holland drehte sich um und betrachtete das Haus.
»Stinkreich und doch immer noch nicht zufrieden. Dieser Flachkopf.«
Emma Smith folgte seinem Blick.
»Kevin, wann haben Sie Jenny zuletzt gesehen?«
»Letzten Freitag, ich meine, gestern vor einer Woche. Ich war mit Leuten beim Larmer-Tree-Festival in Wiltshire. Ich hab Jenny gebeten mitzukommen,
komm
einfach, habe ich zu ihr gesagt. Aber sie wollte lieber ein paar Tage für sich haben und versprach, bis zu meiner Rückkehr Klartext mit ihm zu reden und Schluss zu machen.«
Endlich mischte sich auch DC Williams ins Gespräch ein: »Sie glauben nicht, dass Mortimer womöglich längst wusste, was seine Frau vorhatte?«
»Nein, das glaube ich nicht. Alles, was Gus Mortimer interessiert, ist Gus Mortimer – und sein Kontostand. Ich glaube nicht, dass er auch nur eine Ahnung von uns hatte, bis sie’s ihm erzählt hat.«
»Und das, glauben Sie, hat sie getan?«
Holland nickte langsam, aber nachdrücklich.
»Ja, sicher. Und dann hat der Dreckskerl sie umgebracht.«
Seine Stimme klang erstickt, doch die Worte waren klar verständlich.
»Der tickt nicht wie Sie und ich, Mann.«
Er redete jetzt mit Williams. Emma Smith, die sich ausgegrenzt fühlte, kam zu dem Schluss, dass seine Augen graublau und nicht blaugrau waren.
»Der ist nicht normal eifersüchtig, sicher nicht. Der wollte einfach nicht, dass sich einer mit
seinem
Eigentum davonmacht. Und schon gar nicht, ohne zu
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