Reich und tot
Frau nicht gesehen, weil sie in einem anderen Zimmer geschlafen hat.«
»Wie ich es Ihnen bereits gesagt habe. Aber wegen meines Anwalts . . .«
Kerr hatte endlich den Aufnahmepegel richtig eingestellt und setzte sich neben Jacobson an den Tisch.
»Wann genau haben Sie Ihre Frau zum letzten Mal gesehen, Gus?«
»Jetzt hören Sie mal . . .«
Kerr hörte: Der Geschäftsführer von Planet Avionics hasste den respektlosen Gebrauch seines Vornamens genau so, wie Kerr es gehofft hatte.
»Vor dem Schlafengehen. Wahrscheinlich gegen Mitternacht. Wir waren bei einem Fest«, sagte Mortimer endlich.
»Sie meinen das Sommerfest in Boden Hall, Gus?«
»Ich will mit meinem Anwalt sprechen. Ich habe das Recht . . .«
»Nur vorher noch ein paar kurze Fragen, Mr Mortimer. Jeder Anwalt würde Ihnen raten, die zu beantworten«, sagte Jacobson so sachlich wie möglich. »Es sei denn, Sie wollen als ablehnend und unkooperativ gelten. Das kann in einem ernsten Fall wie einem Mord selbst schon als Vergehen gewertet werden . . .«
»Schon gut, schon gut. Ich habe Sie verstanden. Ja, wir waren in Boden Hall und sind, wie ich sagte, gegen zwölf wieder nach Hause gekommen.«
»Und dann sind Sie und Ihre Frau getrennt schlafen gegangen?«
»Wenn sie etwas getrunken hat, schläft sie sehr unruhig. Deswegen, falls Sie es genau wissen wollen.«
Kerr stieß einen gekünstelten Lacher aus.
»Unruhig wohl eher, weil Sie ihr ins Gesicht geschlagen haben. Unruhig, weil Sie Ihre Frau an den Haaren hinter sich her gezerrt haben.«
Mortimer antwortete nicht.
»Bestreiten Sie, Ihre Frau gestern Abend vor Zeugen geschlagen zu haben, Mr Mortimer?«, fragte ihn Jacobson.
»Ich will meinen Anwalt sprechen.«
»Haben Sie Zeugen, die bestätigen können, wo Sie von gestern Abend elf Uhr dreißig, nachdem Sie Boden Hall verlassen hatten, bis heute Morgen acht Uhr waren, als Sie in Ihrem Büro eintrafen?«
»Ich will meinen Anwalt sprechen.«
Kerr stand auf, trat hinter Mortimer und beugte sich zu ihm hinunter.
»Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrer Frau geschlafen, Gus? Heute Morgen, richtig? Um die Sache wieder zurechtzubiegen? Nur wollte sie vielleicht jemand anderen, jemanden, der es ihr richtig macht?«
Mortimer löste seine Arme, die er verschränkt an den Körper gepresst hatte, und legte die geballten Fäuste auf den Tisch. Aber er sagte nichts. Kerrs Stimme war voller Spott. Fast flüsterte er.
»Oh, Kevin, Kevin.«
Vielleicht zitterte Mortimers Unterlippe leicht. Doch er hielt den Blick starr nach vorn gerichtet, die Augen auf Jacobson fixiert. Kerr ging zurück zu seinem Platz.
»Haben Sie erst gestern Abend vom Verhältnis Ihrer Frau mit Kevin Holland erfahren, Mr Mortimer?«
Jacobson wartete ein paar Sekunden und drückte dann einen unter dem Tisch angebrachten Knopf.
»Zur gerade gemachten Aufnahme: Mr Mortimer hat meine Frage nicht beantwortet. Ich bin Chief Inspector Jacobson und beende die Befragung um elf Uhr sechsundfünfzig.« Jacobson stand auf.
Die Tür öffnete sich, und zwei Beamte betraten den Raum.
»Das reicht für den Moment, Mr Mortimer. Als Leiter der Untersuchung nehme ich Sie vorläufig in Gewahrsam, während ich mit den Ermittlungen fortfahre. Der Sergeant hier wird umgehend dafür sorgen, dass Sie wie gewünscht Kontakt mit Ihrem Anwalt aufnehmen können.«
Gus Mortimers Mund öffnete sich, als wollte er nun doch noch etwas sagen, aber es kam kein Laut heraus. Stattdessen donnerte er seinen Kopf auf den Tisch, bevor ihn jemand daran hindern konnte. Dreimal. Mit aller Kraft.
6
Jacobson machte seinen Pommes-Spiegelei-Ausrutscher vom Vormittag wieder gut, indem er das Mittagessen komplett strich. Er ließ sich von einem Streifenwagen nach Boden Hall hinausfahren, was ungewöhnlich für ihn war, und nutzte die Zeit, um den Fall noch einmal zu durchdenken. Überraschenderweise war der Fahrer PC Ogden.
Smith und Williams hatten Ogdens Liste der Zeugen, die Mortimers Tätlichkeiten gegen seine Frau beobachtet hatten, unter sich aufgeteilt. Mit Geoffrey Trayner wollte Jacobson jedoch selbst sprechen. Die Anklage gegen Mortimer beruhte bis jetzt allein auf Indizien, und der Vorfall in Boden Hall war entscheidend, um Mortimers Gewalttätigkeit gegen seine Frau zu dokumentieren. Sie brauchten dazu so viele Aussagen wie nur möglich. Trayner war zwar nicht selbst Zeuge des Vorfalls geworden, aber wie es schien,
kannte
er die Mortimers. Allein das rechtfertigte ein Gespräch mit ihm. Besonders, wo sich Mick
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