Reich und tot
eineArt Schattenboxen an. Für einen kranken Irren bewegt sich der Kerl wunderschön, dachte Aston. Und schon rannte Johnson wieder zurück zu den Häusern, und Aston duckte sich hinter seine Mauer und piepte Dennett an.
Sie verfolgten ihn abwechselnd die Mill Street hinunter, hinein zu Londis und schließlich in den Schankraum des »Bricklayer’s Arms«. Johnson beschwerte sich bei dem Mann hinter der Theke wegen der geringen Auswahl an Lagerbieren, bestellte sich dann aber ein Kronenbourg. Er setzte sich an einen Tisch beim Fenster und wischte sich den leichten Schweißfilm von der Stirn. Bei Londis hatte er sich eine Schachtel Marlboro und zwei Zeitungen gekauft. Die ›Sunday Times‹ legte er neben sich auf die Bank und bedeckte damit einen Schnitt im roten Plastikbezug der Polsterung. Dann breitete er den ›Sunday Update‹ vor sich auf dem Tisch aus, nahm einen Schluck von seinem Bier und wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Die Suche nach der Elektroschockwaffe verlief ergebnislos. Wenn Gus Mortimer seine Frau mit so einem Ding malträtiert hatte, hatte er es hinterher nicht einfach ins nächste Blumenbeet geworfen oder hinter dem Weinregal im Keller verschwinden lassen. Völlig umsonst war die Suche dennoch nicht gewesen. In der Küche hatte Jacobson eine Fotografie von Kevin Holland und einige Briefe von ihm an Jenny Mortimer gefunden, aus denen die Art ihrer Beziehung klar hervorging. Briefe und Foto waren wenig fachmännisch in einer Gewürzschublade versteckt gewesen, in die Jacobson und Kerr am Vorabend nicht hineingesehen hatten. Vielleicht hatte Gus Mortimer diese Schublade auch niegeöffnet, dachte er und steckte alles sorgsam in eine Tüte. Oder vielleicht doch – war erst voller Zorn gewesen und hatte sich schließlich wieder beruhigt: hatte die Briefe und das Foto vorsichtig zurückgelegt, nichts gesagt und eine kalte, rachsüchtige Wut mit sich herumgetragen.
Jacobson trat aus dem Haus in den Schatten der alten englischen Eiche. Er versuchte, Aston und Dennett mit dem Handy zu erreichen, aber ihre Nummer war besetzt. Hume und Barber fuhren los, um mit ihrer Klinkenputzerei anzufangen. Hume ließ den Motor des BMWs aufheulen und den roten Kies spritzen. Jacobson wollte gerade über eine Zigarette nachdenken, als eine der beiden uniformierten Wachen aus dem Bürocontainer trat und zu ihm herübersah.
»Da ist eine E-Mail gekommen, von DS Kerr, Chef. Der Anhang ist für Sie. Scheint dringlich zu sein.«
Jacobson folgte ihm nach drinnen und setzte sich an den Computer. Zweimal versuchte er erfolglos, das Dokument zu öffnen, dann half ihm der uniformierte Beamte. Und selbst jetzt brauchte er noch eine Minute, bis er mit der Maus klarkam und die Worte nicht mehr unlesbar schnell auf dem Bildschirm auf- und niederfuhren.
»Frank. Das hier ist aus der ›Financial Times‹. Von vor fünf Jahren. Warum ist unsere Datenbank nur so ein Schrott?«
Jacobson atmete tief durch. Sie waren dran an Mortimer, kein Zweifel. Aber viel mehr als ein Schnappen nach seiner Wade würde wohl auch das hier nicht werden. Zu Fall würden sie ihn damit nicht bringen.
Später sollte sich herausstellen, dass die Busse unter falschem Namen bereits vorab bar bezahlt worden waren. Auf jeden Fall hatten die Beamten in den Überwachungsfahrzeugen, sowohl in der Bronx als auch in der Tochter der Bronx, zu spät kapiert, dass sich daetwas zusammenbraute. Einer der DCs hatte sogar noch gesagt, dass selbst das niedere Pack dann und wann einen Tag am Meer verdiene. Denn danach hatte es zuerst ausgesehen: Teenager, Mums und Dads, ja selbst Kleinkinder stiegen in den Bus vor dem »Poets«. Vielleicht blickten sie etwas zu düster drein für einen Sonntagsausflug. Aber wer blickt schon nicht düster drein, wenn er in einem Scheißhaufen wie Woodlands lebt?, hatten die Beamten gedacht.
Bis zwölf hatte sich eine Menge von mindestens zweihundert Personen in der Fußgängerzone versammelt, und es wurden immer mehr: mit Bussen herangekarrte Hardliner, Bekannte, die per SMS herbeigetrommelt worden waren, und dazu Passanten, die aus Neugier stehen blieben und umgehend für das Anliegen begeistert wurden. Ganz vorne hielten sie sogar Plakate und Spruchbänder in die Höhe: »Sexverbrecher raus!«, »Kastriert sie!«, »Killt den Kriecher!«. Mitten in der Menge stand ein stämmiger Jugendlicher, der auf eine alte, abgewetzte Trommel eindrosch, immer im gleichen Rhythmus:
Wumm! Wumm! Wumm-wumm-wumm-wumm-wumm-wumm! WO,
Weitere Kostenlose Bücher