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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ausmachen. Woodlands war die gewohnte Katastrophengegend. Trotz des Namens war nicht ein einziger Baum zu sehen. So was existierte höchstens auf dem längst verstaubten Plan, nach dem das Viertel einmal angelegt worden war. Die Bullen hier nannten das Viertel »Tochter der Bronx«, um es von der »Bronx« selbst zu unterscheiden, die noch ein paar Meilen weiter stadtauswärts lag. Zwischen den beiden bestand ein formloser Wettbewerb, wer denn nun den anderen an Verfall und Hoffnungslosigkeit übertraf. Aufgrund ihrer längeren Tradition lag die Bronx bislang vorn, aber Woodlands war im Begriff, an das Chaos verdammt noch mal heranzukommen.
    Sie fuhren an den mit Stahlrollläden verrammelten Geschäften im Zentrum des Viertels und am »Poets«, dem einzigen Pub, vorbei. Das Fenster des Schankraums war nach einem weiteren typischen Samstagabend mit kranken Pillen, krankem Bier und kranken Gefühlen frisch mit Brettern vernagelt. In einer Ecke des schlaglochübersäten Parkplatzes spielten ein paar Acht-, Neunjährige ein Spiel, das wohl nur sie selbst kapierten und bei dem es offensichtlich darum ging, vom Ende eines abgefackelten Sofas auf die Überbleibsel einer verkohlten Matratze zu springen, und anschließend wieder zurück. Maddy warf einen Blick auf den Computerausdruck,den John Barnfield ihr gegeben hatte: eine Liste mit den Adressen der Leute, die er und seine Frau als ihre »Unterstützer« bezeichneten.
Alle, die bereit sind, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen, meine Beste,
hatte er gesagt. In Woodlands gab es allein hundert Namen, aber Maddy hatte bei Barnfield noch einmal nachgehakt und die Liste auf etwa zwanzig Leute eingedampft, die am engagiertesten und am besten vernetzt zu sein schienen. Wenn du die Massen erreichen willst, erreiche zuerst ihre Führer. Praktischerweise hatte Maddy sich an der Uni ein Jahr mit Sozialpsychologie befasst.
    Jeff hielt vor dem William Blake House und vergewisserte sich, dass Mutt sein Handy eingeschaltet hatte. Mutt würde im Auto bleiben, Jeff mit Maddy gehen. Der Aufzug stank nach Urin, wie es die Dinger immer taten. Aber wenigstens funktionierte er. Jeff betrat ihn nach Maddy und drückte den Knopf für den achten Stock. Maddy strich sich die Locken zurecht und überprüfte ihr Make-up. Der Aufzug fuhr wackelnd in die Höhe. In ihrem Kopf ging sie noch einmal die zentralen Sätze ihrer Vorstellung durch.
Hi, ich bin Maddy Taylor. Vom ›Sunday Update‹. Ich frage die Leute hier, wie es sich anfühlt, mit einem verurteilten Vergewaltiger zu leben. Das haben Sie noch nicht gehört? Niemand scheint sicher zu sein, wo genau er sich aufhält. Das Letzte, was ich gehört habe, ist, dass gerade eine Art Protestdemonstration organisiert wird.

12
    Jacobson nahm den Anruf von Bill Dyson mit einer Mischung aus Widerwillen und Neugierde entgegen. Dyson war der Anwalt von Planet Avionics und erkundigte sich nach dem Gesundheitszustand seines Chefs.
    »Mr Mortimer hilft uns noch bei den Ermittlungen. Das ist alles, was ich sagen kann«, erklärte ihm Jacobson und starrte aus dem Fenster des Einsatzraums auf den sonntäglich ruhigen Platz vor dem Präsidium.
    Dyson sorgte sich um die praktischen Aspekte. Mortimers Geschäftsführungskollegen waren offenbar nur passiv in die Firmengeschäfte involviert und kümmerten sich um nichts als ihren zwei Mal jährlich ausgezahlten Gewinnanteil, oder sie hockten in London und hatten noch etliche andere lukrative Eisen im Feuer, um die es sich zu kümmern galt. Nach allem, was Dyson sagte, sah es ganz so aus, als wäre Mortimer Planet Avionics, zumindest was die Führung des Unternehmens betraf.
    »Sollte er für einige Zeit, äh   ... ausfallen, muss sich die Geschäftsführung umgehend nach einem Vertreter umsehen«, sagte Dyson.
    Als ob Jacobson das interessierte.
    »Sie kennen, kannten die Mortimers also beide gut?«, fragte er.
    »Nicht privat, Inspector. Ich sehe Gus jede Woche, aber nur geschäftlich. Seine Frau habe ich bei verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen im Zusammenhang mit der Firma gesehen, aber ich könnte Ihnen nichts über das Verhältnis der beiden oder sonst etwas Persönliches sagen.«
    »Und wie würden Sie ihn in
geschäftlicher
Hinsicht beurteilen?«
    Jacobson gelang es, das Wort so widerlich wie einen stinkenden Putzlappen klingen zu lassen.
    »Als den besten Chef in der Geschichte der Firma, Inspector.«
    Dyson lobte Mortimer in den höchsten Tönen. Planet Avionics hatte sich definitiv in einer

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