Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)
Blick um die Stimmung nicht gleich wieder kippen zu lassen und sehe, wie er aufgebend nickt und sich erheben will, aber gleich wieder zurücksackt und plump auf der Couch sitzt. Fast schon wütend sieht er mich an und taxiert dann auch den Arzt mit demselben Blick, sagt aber kein einziges Wort.
„Entschuldige … Bleib sitzen.“Ja, ich hab es schon wieder vergessen gehabt. Er hat mir doch vorhin erst gesagt, dass er nicht richtig laufen kann, wieso hab ich das schon wieder vergessen? Mehr schlecht als recht versuche ich dem Arzt auf Englisch zu erklären, was Tom hat und erläutere auch das, was ich bisher versucht habe zu machen. Zum Glück fragt er nicht, wieso Tom angeschossen ist, im Prinzip geht es ihn ja auch nichts an, aber vielleicht ist es auch einfach die Art von den Ukrainern. Langsam geht der alte Mann zu meinem ehemaligen Verlobten und setzt sich neben ihn. Er fragt ihn noch, ob er den Verband abmachen kann, worauf Tom den Kopf schüttelt und mich bittend ansieht. „Kannst du bitte?“, fügt er seiner stummen Bitte hinzu. Seufzend gehe ich zu ihm hin, unzufrieden, dass Tom sich nicht ordentlich von dem Arzt behandeln lassen will, aber dennoch auch zumindest ein bisschen zufrieden, dass er sich immerhin nicht mehr weigert, sich untersuchen zu lassen. Vorsichtig wickle ich also den Verband ab und zische, genauso wie der Arzt, erschrocken auf, als die Wunde wieder freiliegt. Sie ist zwar nicht schlimmer geworden, aber es tut allein schon vom Hinsehen weh. „Das sieht nicht gut aus. Das ist etwas entzündet und ist gereizt. Es ist wichtig, dass immer ein Verband darum ist, außer natürlich, wenn die Verletzung behandelt wird. Danach muss aber wieder etwas drauf, damit kein Schmutz rein kommt und die Wunde keiner unnötigen Reibung ausgesetzt ist!“, erklärt er mir auf Englisch und dreht Tom etwas zu sich, damit er ihn besser untersuchen kann. „Okay, ist das die einzige Verletzung?“, hakt er nach, nachdem er einige Zeit die Schulter begutachtet hat, und schaut mich fragend an, obwohl ich ihm vorhin noch erklärt hab, was los ist. „Ja, das ist die einzige Verletzung, aber er hat Fieber und kann seit vorhin kaum laufen.“ „Wieso?“, fragt er nach und dieses Mal antwortet immerhin Tom an meiner Stelle. „Weil es von der Schulter her wehtut, ich zittere, wenn ich mich anstrenge und ich zu schwach bin!“, allerdings auch nicht so freundlich …Man kann deutlich sehen, dass es ihm unangenehm ist und er nicht gerne zugibt, dass er schwach ist, schwächer als ich oder der Arzt im Moment. Beruhigend und versöhnlich streichle ich ihm den Rücken, will, dass er sieht, dass ich es gut meine und das nicht mache, um ihn bloß zu stellen oder ihm zu zeigen, dass ich stärker bin. Denn das bin ich nicht. Körperlich und seelisch … Nein, da bin ich wirklich schwächer, was aber wohl auch kein Wunder ist. Tom ist abgehärtet in jeglicher Hinsicht. „Okay, ich werde Ihnen eine Spritze gegen das Fieber und die Schmerzen geben. Außerdem gebe ich Ihnen auch noch eine Spritze mit Aufbaupräparaten und zusätzlich noch ein paar Tabletten, die Sie je nach Bedarf einnehmen können! Seit wann haben Sie die Verletzung, Herr Seidel?“, teilt uns der Arzt mit und schaut erwartungsvoll zu mir und zu Tom.
Ja, Toms „Decknachname“ ist Seidel. Nicht sonderlich einfallsreich, aber er erfüllt seinen Zweck. „Seit gestern Mittag!“, brummt Tom natürlich wie immer auf Englisch und schaut mich unzufrieden an. Was ist denn jetzt schon wieder? „Okay, es braucht natürlich seine Zeit, bis es verheilt und besser wird. Na gut, dann werde ich Ihnen jetzt die Spritze geben und dann die Verletzung versorgen und wieder verbinden. Wichtig ist, dass sie heute viel ruhen und die nächsten Tage so wenig wie möglich ihren rechten Arm bewegen! Außerdem zweimal am Tag neu verbinden, damit die Wunde kurzzeitig atmen kann, man sehen kann, wie sie aussieht, weil man eine Entzündung eben nicht immer gleich fühlt und damit auch der Verband immer frisch ist!“ Langsam nicke ich als Zeichen, dass ich verstanden hab und weiß, was ich also in Zukunft zu tun habe und ich auch weiß, was er jetzt mit Tom machen wird. Dieser sieht allerdings alles andere als überzeugt und einverstanden aus. „Tom, das muss sein, sonst müssen wir wirklich noch in ein Krankenhaus!“, bitte ich ihn indirekt und setze mich hinter ihn, gucke aber über seine Schulter, um genau zu sehen, was der Arzt macht. Dieser kramt eine Spritze aus seiner
Weitere Kostenlose Bücher