Reid 2 Die ungehorsame Braut
gewiss gewesen.«
»Aber nicht die Ihre, wenn ich Sie richtig verstehe.«
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich.«
»Lächerlich sind einzig Ihre aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen. Ich wollte lediglich überprüfen, ob Sie so griesgrämig schmecken, wie Sie häufig klingen.«
Ophelia sah auf Raphael herunter, der noch immer auf dem kalten Boden lag - und zwar in einer legeren Pose, als lümmelte er sich auf einem Sofa. Sie legte die Stirn in Falten und riss die Augenbrauen in die Flöhe. »Und? Wie schmecke ich?«
»Schlimmer als griesgrämig«, antwortete er mit einem verschlagenen Grinsen.
Beim Allmächtigen, er zog sie schon wieder auf. Sie hasste es, wenn sie verspottet wurde.
Ja, sie hatte bei der Schneeballschlacht ihren Spaß gehabt.
Und nein, sie wollte nicht, dass diese Begegnung im Streit endete. Aus dem Grunde ließ sie sich etwas Zeit, über ihre Antwort nachzudenken. Dabei ging ihr auf, dass sie keinen Grund hatte, sich so griesgrämig zu geben. Was war denn schon groß passiert? Ein simpler Kuss, mehr nicht. Außerdem durfte sie nicht vergessen, dass sie es hier mit einem bekennenden Lebemann zu tun hatte.
»Wenigstens kann ich mehr Treffer verbuchen als Sie«, sagte sie und gönnte sich selbst ein schwaches Feixen. Das war ihre Art einzuräumen, dass sie überreagiert hatte. Eine Art unausgesprochene Entschuldigung.
»Wer’s glaubt, wird selig« antwortete Raphael lachend und rappelte sich auf. »Aber Sie waren nicht schlecht, das muss ich Ihnen lassen. Kann es sein, dass Sie früher schon den ein oder anderen Schneeball geworfen haben?«
Mit einem Mal wurde Ophelia sehr still. »Nein, ich hatte nie jemanden, der mit mir spielen wollte«, sagte sie schließlich.
Von jetzt auf gleich fiel Raphaels heiterer Gesichtsausdruck in sich zusammen. »Ich hoffe inständig, dass Sie mich gerade angeschwindelt haben, Phelia.«
»Natürlich doch«, lautete ihre Antwort, um schnell das Thema zu wechseln.
Doch Raphael schien nicht locker lassen zu wollen. »Oder war es am Ende die Wahrheit?«
»Ich habe Sie gewarnt, nicht in meiner Kindheit herumzustochern. Also lassen Sie es.« Mit diesen Worten stapfte sie davon. Schade, jetzt hatte ihre Begegnung doch im Streit geendet.
Kapitel vierzehn
D er Wind hatte ihr Lachen zu ihm herübergetragen. Raphael war, als könne er weder dieses Geräusch noch die Begegnung mit Ophelia je wieder vergessen.
Den ersten Schneeball hatte er aus einem Impuls heraus geworfen. Er hatte gerade beim Frühstück gesessen, als er sie draußen erspäht und spontan beschlossen hatte, es ihr gleichzutun. Was sich danach zugetragen hatte, war nie geplant gewesen.
Raphael hatte Ophelia heute kaum wiedererkannt. Welch ein Unterschied zwischen der Frau herrschte, die mit Schneebällen nach ihm geworfen hatte, und jener, die alle Welt hasste. Er spürte, dass sie sich nicht verstellt hatte, war sich hundertprozentig sicher, dass ihr Verhalten auf Spontaneität gefußt hatte. Es war nicht ihre Absicht gewesen, ihn glauben zu machen, er hätte sie auf wundersame Weise verändert. Sie hatte ihm schlicht und ergreifend eine andere Seite ihrer selbst gezeigt. Eine verspielte Facette ihrer Persönlichkeit, die sonst niemand zu Gesicht bekam.
Was den ersten Impuls betraf, so bereute er nicht, ihm nachgegeben zu haben. Im Gegensatz zum zweiten. Es war töricht gewesen, sie zu küssen. Kein Wunder, wenn sie jetzt einen vollkommen falschen Eindruck von ihm hatte. So wie er gehandelt hatte, hätten vermutlich die meisten Männer gehandelt. Ihre Lippen waren so nah gewesen, ihr Lachen hatte die Luft erfüllt, und ihre Schönheit hatte ihr Übriges getan. Wie hätte er da widerstehen können? Und was sollte die Erklärung, er wolle sich davon überzeugen, ob sie griesgrämig schmeckte? Was für ein Humbug. Hätte ihm der Kuss nicht die Sinne und den halben Verstand geraubt, hätte er sich bestimmt etwas Plausibleres einfallen lassen.
Wieder im Haus, machte Raphael sich umgehend auf die Suche nach ihr.
Ophelia war im Salon, stand vor einem der Fenster. Sie war allein und sah hinaus auf das Durcheinander, das ihre Schneeballschlacht verursacht hatte. Dachte sie an den Spaß, den sie gemeinsam gehabt hatten, oder gar an den Kuss?
Worüber dachte sie eigentlich für gewöhnlich nach, wenn sie allein war? Mit einem Mal wurde Raphael flau im Magen. Er konnte kaum fassen, was für Ausmaße seine Neugierde annahm.
»Sind Sie bereit für ein weiteres Gespräch?«, fragte er freundlich
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