Reid 2 Die ungehorsame Braut
haben Sie unzählige Leben zerstört. Hat sie übertrieben, oder spricht sie die Wahrheit?«
»Es stimmt. Ich bin überzeugt davon, dass viele der Männer, denen ich einen Korb gegeben habe, denken, ihr Leben wäre zerstört. Duncan ist der Einzige, der gegenteilig denkt, nämlich dass eine Heirat mit mir schlimmer wäre, als durch die Hölle zu waten. Eine Meinung, die ich voll und ganz teile, seit sein Großvater mir aufgezeigt hat, was für eine elende Schufterei das Leben auf Summers Glade mit sich gebracht hätte.«
Duncan war willens gewesen, Ophelia vor dem Ruin zu bewahren, falls Mavis sich entschieden hätte herumzuerzählen, was sie gesehen hatte, als sie in ihr Zimmer gekommen war. Es war ganz harmlos, aber wer würde das glauben, wenn das Gerücht erst einmal im Umlauf war? Raphael war sicher, dass er sich in derselben Situation - wenn es um Ophelias Wohl ging - nicht so nobel verhalten hätte.
»Und Sie haben die kompromittierende Situation nicht zufällig mit Absicht herbeigeführt, damit Mavis einen falschen Eindruck bekommt, oder?«, hakte er nach.
»Wo denken Sie hin? Als das geschah, war ich willens, Duncan zum Gemahl zu nehmen, nur, um die Sache endlich hinter mich zu bringen. Ich hatte entschieden, dass er gut genug war - zumindest für meinen Vater. Und ich dachte, irrtümlicherweise, wie sich bald heraussteilen sollte, dass Duncan mich ebenfalls heiraten würde, sobald er sich davon erholt hatte, dass ich ihn einen Barbaren genannt hatte. Hätte ich seinerzeit gewusst, dass er sich ziert, wäre ich jedoch durchaus geneigt gewesen, eine kompromittierende Szene ins Leben zu rufen.«
Raphael amüsierte sich königlich über Ophelias Worte. Warum, zum Teufel, machte sie keinen Hehl daraus? Er war felsenfest davon überzeugt, dass sie seinerzeit unschuldig gewesen war.
»Und daran können Sie nichts Falsches erkennen?«, fragte er.
»Solange ich davon überzeugt war, dass er mit unserer Beziehung am Ende zufrieden sein würde? Nein.«
Mit einem Kopfschütteln sagte er: »Mir scheint, ich kann Ihnen noch nicht einmal einen Vorwurf aus Ihrer Sichtweise machen, zumal Frauen seit Angedenken Männer in die Ehe locken. Ich persönlich sehe es als die schlimmste aller Machenschaften an, aber ich kann es ja auch nur aus der Warte eines Mannes betrachten, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Natürlich doch. Es hätte mich überrascht, wenn Sie eine andere Sichtweise hätten. Da wir gerade beim Thema sind, sollten Sie wissen, dass ich nichts dergleichen getan hätte, wäre mir bewusst gewesen, dass Duncan niemals mit mir hätte glücklich werden können.«
Sollte er ihr glauben? Nach dem, was sie bereits zugegeben hatte, nahm er an, dass er es konnte.
»Jetzt möchte ich Sie gern einmal etwas fragen«, fuhr Ophelia mit forschendem Blick fort. »Angenommen, ich hätte mich einer List bedient, wie wollen Sie dann erklären, was Sie mit mir getan haben? Sie bringen mich gegen meinen Willen hierher und halten mich so lange gefangen, bis ich mein Verhalten ändere - bis Sie zufrieden sind. Sie haben die Dreistigkeit besessen, die Sache in die eigene Hand zu nehmen, haben mich nicht einmal gefragt, ob ich Ihre Hilfe überhaupt möchte. Raus mit der Sprache, Rafe. Wo genau liegt da der Unterschied zu meinem Verhalten?«
Ophelia machte einen selbstzufriedenen Eindruck, dachte vermutlich, sie hätte ihn an die Wand gespielt. »Ich sehe in der Tat gewisse Parallelen, aber Sie sehen nur einen Ausschnitt des Ganzen. Einen Mann zu einer Ehe zu zwingen, die er nicht möchte, würde beide Ehepartner bis ans Lebensende unglücklich machen, weil es außer einem handfesten Skandal kein Entrinnen gäbe. Wollen Sie das ernsthaft damit vergleichen, dass Sie ein paar Wochen hier oben im hohen Norden verbringen, was am Ende alle glücklich macht? Niemand wird verletzt, und niemand geht unglücklich aus der Sache hervor.«
»Fahren Sie zur Hölle!«
Raphael grinste spitzbübisch. »Sie können mich noch so oft dorthin wünschen, aber der Heiligenschein oberhalb meines Kopfes sitzt fest. Geben Sie sich einen Ruck und seien Sie kein schlechter Verlierer.«
»Warum nicht?«, schoss sie wutentbrannt zurück. »Setzen Sie es doch einfach mit auf die schier endlose Liste meiner Vergehen. Aber denken Sie bloß nicht, Sie wären ein Engel. Sie sind der Teufel in Person, und das wissen Sie auch.«
Raphael schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Ihr Temperament geht mal wieder mit Ihnen durch, Phelia. Das wäre jetzt der ideale
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