Reid 2 Die ungehorsame Braut
gewisses Maß an Eile für angebracht, um ihren Mitstreitern zuvorzukommen. Ich glaube, dass diese Männer Ihnen nur deshalb einen Antrag gemacht haben, obwohl Sie sie gar nicht kannten.«
»Aber natürlich doch. Als Nächstes werden Sie mir wohl sagen, dass die Männer, wenn sie mich näher kennen würden, mich in demselben Maße verabscheuen würden, wie Sie und Duncan es tun. Lassen Sie mich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Duncan zugegeben hat, mich für sich gewinnen zu wollen, wenn ich ihn nicht im Vorfeld unseres ersten Aufeinandertreffens beleidigt hätte. Als er mich dann das erste Mal sah, war er überglücklich, mit mir verlobt zu sein. Sie sind also der einzige Mann, der von meinem Antlitz nicht angetan ist.«
Ophelia schien durch ihre eigenen Worte überrascht. Als sie Raphael auch noch mit einem nachdenklichen Blick bedachte, fühlte er sich mit einem Mal unwohl in seiner Haut.
»Mit Spekulationen ist uns nicht geholfen«, warnte er sie. »Ich für meinen Teil habe nicht vor, in diesem Jahrhundert noch vor den Altar zu treten.«
»Mit anderen Worten nie.«
»Das wäre übertrieben«, sagte er mit einem Seufzen. »Zumindest nicht in den nächsten zehn Jahren. Mein Vater ist in dieser Hinsicht sehr verständnisvoll. Vermutlich, weil er selbst erst sehr spät geheiratet hat. Deswegen hat er noch nicht versucht, mich auf den Heiratsmarkt zu schieben.«
»War das der Grund dafür, dass Sie England verlassen haben? Weil die Mütter von Töchtern im heiratsfähigen Alter es auf Sie abgesehen haben?«
»Aus Ihrem Munde klingt es schlimmer, als es war, aber ja, ich hatte mehr Anfragen, als mir lieb waren. Ich konnte kaum einen Schritt tun, ohne dass mir ein junges Ding unter die Nase gehalten wurde. Irgendwann wurde es mir lästig. Und da mir ohnehin der Sinn nach einer großen Fahrt stand, entschied ich, dass der Zeitpunkt gekommen war. Jetzt sollten wir uns aber wieder den dringenderen Angelegenheiten widmen.«
»Von mir aus«, antwortete sie gelangweilt. »Ich kann es kaum abwarten, bis Sie richtig losgelegt haben.«
Raphael zog die Augenbrauen hoch. »Kann es sein, dass Sie das hier nicht sonderlich ernst nehmen, Phelia?«
»Nein? Vielleicht, weil ich keinen Sinn darin sehe, auf etwas herumzureiten, wenn ich längst eingeräumt habe, dass ich dieses Gerücht über Duncan nie von mir gegeben hätte, wenn ich nicht so verängstigt und aufgewühlt gewesen wäre. Damit wären wir dann bei meiner zweiten Charakterschwäche: meinem Temperament. Ich bin vollkommen machtlos dagegen, wenn es mich überkommt!«
»Das überrascht mich nicht, meine Liebe«, sagte er trocken. »So viel habe ich auch schon herausgefunden.«
»Wahrhaftig? Mit anderen Worten, Sie haben mich absichtlich provoziert?«
»Mitnichten. Sie sind einfach sehr empfindlich, wenn es um Ihre Makel geht.«
»Weil ich sie hasse. Jeden einzelnen von ihnen.«
Von Leidenschaft ergriffen, sahen sie einander an, bis Raphael die Sprache wiederfand und fragte: »Warum wehren Sie sich dann mit Zähnen und Klauen dagegen, dass ich Ihnen helfen möchte?«
»Habe ich mich denn bis jetzt geweigert, mit Ihnen zu sprechen? Habe ich Ihnen gesagt, Sie sollen zur Hölle fahren? Zumindest nicht in den letzten Minuten, das müssen Sie zugeben.«
Raphael brach in schallendes Gelächter aus. »Nein, das liegt in der Tat schon ein wenig länger zurück. Soll das heißen, Sie werden kooperieren? Wenn auch nur für Sie selbst?«
»Für mich? Nein. Um so schnell wie möglich von hier fortzukommen? Ja.«
Er seufzte. »Nicht gerade die Gesinnung, die ich mir erhofft hatte, aber besser als nichts. Eine Frage hätte ich allerdings noch. Wenn Sie noch einmal in der Situation wären, würden Sie andere Maßnahmen ergreifen, um die Verlobung mit Duncan aufzulösen?«
»Warum fragen Sie mich nicht, ob ich das Gefühl hatte, mir wäre eine andere Möglichkeit geblieben, als so zu handeln, wie ich es getan habe? Ich habe nämlich keine andere Möglichkeit gesehen, falls es Sie interessiert. Welche Silbe von verzweifelt ist Ihnen nicht geläufig?«
»Sie bereuen Ihr Verhalten also nicht?«
»Natürlich tue ich das. Sie denken, ich hätte aus Gehässigkeit oder Häme gehandelt, aber dem war nicht so. Ich wollte ihn nicht verletzen. Ich wollte ihn nur möglichst effektiv loswerden. Mir wurde erst später klar, dass er gar keine schlechte Partie war. Und sein Titel hätte zumindest meinen Vater in Verzückung versetzt.«
»Im Gegensatz zu Ihnen?«
»Es gibt nur
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