Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
Besteck zur Seite gelegt, hatte er sich empfohlen, weil er angeblich noch einen wichtigen Termin hatte. Rebecca war davon überzeugt, dass sein Termin weiblich war und ganz oben auf seiner Liste der zu verführenden Frauen stand. Aber sie scherte sich nicht weiter darum. Schließlich konnte er tun und lassen, was er wollte. Er war ihr ja keine Rechenschaft schuldig.
»Du hast ja recht«, räumte Amanda ein, die Stirn noch immer auf der gestärkten Tischdecke abgelegt. »Am liebsten würde ich mit Avery dorthin gehen, und er würde meinem Wunsch bestimmt nachkommen - wenn er denn wüsste, dass ich überhaupt in der Stadt bin. Bisher hat er sich ja noch nicht die Mühe gemacht, hier vorbeizuschauen. Und was Tante Julie betrifft: Sie ist ziemlich aus der Übung, nachdem sie jahrelang nicht mehr ausgegangen ist. Die Erziehung ihrer Jungen hat sie einfach zu sehr in Beschlag genommen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es war, als sie mich letztes Jahr begleitete. Es war die reinste Hölle. Die meiste Zeit über stand sie missmutig in einer Ecke. Und glaub mir, sobald Junggesellen ein gewisses Interesse an mir zeigten, schlug sie sie mit einem ihrer finsteren Blicke in die Flucht. Die Burschen konnten es gar nicht erwarten, von mir wegzukommen! «
»Wenn ein Mann sich so leicht einschüchtern lässt, ist er auch nicht der Richtige für dich. «
Amandas Kopf flog in die Höhe. »So habe ich das noch nie betrachtet! Du hast vollkommen recht. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass du mich auf den Ball begleitest. Wir könnten so viel Spaß haben. Außerdem machst du auf mich einen sehr vernünftigen Eindruck. Vielleicht könntest du mir bei der Suche nach dem richtigen Gemahl helfen. Sag ja, bitte! Tu es für mich! Bitte, bitte, bitte! «
Rebecca musste schmunzeln. Sie ahnte, wie viel Überwindung es Amanda kostete, sie anzuflehen.
»Sagtest du morgen Abend? «
»Ja, und komm mir jetzt nicht damit, du hättest kein passendes Kleid! Du warst bis vor kurzem Hofdame, schon vergessen? «
»Reg dich ab, Mandy! « Rebecca gluckste. »Ich komme ja mit. In meinem Schrank hängen sogar noch einige ungetragene Kleider. Als wir meine Garderobe zusammenstellten, haben meine Mutter und ich übersehen, dass mit fortschreitender Schwangerschaft der Königin auch immer weniger Bälle stattfinden. Während der letzten Wochen gab es also kaum noch Anlässe, um sich in Schale zu werfen. «
Rebecca spürte, wie sich Aufregung in ihr breitmachte. Ein wahrhaftiger Ball, einer mit jüngerem Publikum als am Hofe, wo sich in erster Linie alternde Funktionäre tummelten! Es würden unzählige Junggesellen und Debütantinnen dort sein, die alle dasselbe Ziel verfolgten: den Partner fürs Leben zu finden. Sie würde endlos tanzen können, ohne dass sie unter der Fuchtel einer Anstandsdame stand. Doch da endete der Ausflug ins Reich der Fantasie auch schon. Es fehlte nicht viel, und Rebecca wäre vor Verbitterung erstickt.
Es stand ihr natürlich frei, dorthin zu gehen, aber es war fragwürdig, ob sie sich auch amüsieren konnte. Schließlich war sie jetzt eine verheiratete Frau. Aus und vorbei war es mit harmlosen Flirts oder dem aufgeregten Hoffen, von einem begehrten Junggesellen zum Tanzen aufgefordert zu werden. Von ihr wurde nun verlangt, dass sie Tanzaufforderungen höflich, aber bestimmt ablehnte. Da ihr Gemahl nicht zugegen sein würde, um seine Zustimmung zum Tanz mit einem Fremden zu geben, würde es als anstößig empfunden, wenn sie annähme.
Rebecca stand kurz davor, ihr Angebot zurückzunehmen, doch Amanda ergoss sich bereits in einem nicht enden wollenden Monolog über den bevorstehenden Ball. Sie sinnierte darüber, was sie wohl erleben würden, welche Vorbereitungen es zu treffen gab und so weiter und so fort. Sie wirkte so glücklich, dass Rebecca es nicht übers Herz brachte, einen Rückzieher zu machen. Versprochen war versprochen. Sie würde mitgehen und vermutlich den ganzen langen Abend darüber grübeln, warum ihr Gatte es vorzog, sich mit einer Gespielin zu amüsieren, statt seine Frau zum ersten Ball zu begleiten, mit ihr zu tanzen und wieder einmal Aufsehen zu erregen -dieses Mal allerdings damit, dass er nicht mehr zu haben war. Nein, das würde er nicht tun. Schließlich versuchte er mit aller Macht, die Ehe außerhalb seiner Verwandtschaft zu vertuschen. Pech für ihn! Rebecca entschied, jedem, der es hören wollte, zu erzählen, dass sie jetzt ein Ehepaar waren. Wollen wir doch einmal sehen, dachte
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