Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
Nigel, dass er bis heute nicht genau wusste, was sie damit bezweckte. Er wusste nur, dass sie ihre Informationen nicht dazu nutzte, um in der Gunst der Königin aufzusteigen. Das hatte er herausbekommen, indem er ihr wiederholt Fallen gestellt hatte. Keine von ihnen war je zugeschnappt.
Nigel hatte sogar nicht davor zurückgeschreckt, Ruperts Dienste in Anspruch zu nehmen, um die Beweggründe der Dame näher zu erforschen. Wäre es nach Nigel gegangen, wäre Rupert - wie könnte es anders sein - Lady Sarahs Liebhaber geworden. Doch Rupert hörte nur selten auf Nigels Ratschläge. Hinzu kam, dass er schon bald eine heftige Abneigung gegen Sarah entwickelte, die nichts mit Nigel oder seinem Vorschlag zu tun hatte. Lady Sarah hatte die schlechte Angewohnheit, sich schnippisch und gebieterisch zu geben, obwohl sie nichts weiter als eine Hofdame war. Ganz zu schweigen davon, dass sie ihn irgendwann einmal als hübsch bezeichnet hatte...
Alles, was Rupert seinerzeit hatte herausfinden können, war, dass sie keine unmittelbare Bedrohung für die Monarchie darstellte. War sie womöglich auf Erpressung aus? Das würde sich bald zeigen.
»Die Hälfte der neuen Hofdamen kenne ich und kann guten Gewissens Entwarnung geben. Allesamt aus ehrbaren Familien, die nichts mit den Radikalen zu tun haben. Die meisten sind wegen der Berufung an den Hof vollkommen aus dem Häuschen. Andere hingegen sind auf der Hut, weil sie wissen, dass die Königin aufseiten der Whigs steht. «
Nigel seufzte. »Ich wünschte, das wäre nicht hinlänglich bekannt. Wie oft habe ich ihr schon nahegelegt, die Korrespondenz mit Lord Melbourne einzustellen, aber sie weigert sich standhaft, meinem Rat zu folgen. «
Rupert, der die Königin verstehen konnte, schmunzelte innerlich. »Ich wäre auch fuchsteufelswild, wenn man mir den Kontakt zu meinen Freunden verbieten wollte. Melbourne war nicht nur einer ihrer engsten Vertrauten, als er noch in Amt und Würden stand, sondern auch ihr Mentor. Ihr gesamtes Wissen über Politik hat sie ihm zu verdanken. Ihre langjährige Freundschaft auf Eis zu legen, nur weil der gegenwärtige Premierminister ein Tory ist, halte ich gelinde gesagt für... «
»Ihr wisst genauso gut wie ich, dass die Monarchie an andere Gesetze gebunden ist als Ihr und ich. Jetzt, wo sie mit Prinz Albert einen Mann mit einem guten politischen Instinkt an ihrer Seite hat, braucht sie Melbourne nicht mehr. Sie hat in den letzten vier Jahren eine Menge dazugelernt. Als Regentin weiß sie nur zu gut, dass es unklug ist, zu enge Bande mit der Opposition zu knüpfen. «
Rupert feixte. »Und wie war das mit den geheimen Briefen, die ich auf Euer Geheiß für die Königin befördert habe? «
»Ich rühme mich nicht damit, als Berater der Königin zu fungieren. Wenn sie mich um etwas bittet, lehne ich mich nicht dagegen auf. Immerhin handelt sie jetzt im Verborgenen, hat verstanden, dass sie Peel nicht in aller Öffentlichkeit denunzieren kann. «
Um ein Haar hätte Rupert laut losgelacht. Nur zu gut konnte er sich an die sogenannte Schlafzimmerkrise vor vier Jahren erinnern. Melbourne hatte seine Ämter niedergelegt und Peel seine Nachfolge angetreten. Als Letzterer jedoch versucht hatte, Tory-Gemahlinnen im Königshaus einzuschleusen, hatte Victoria sich mit allen Mitteln dagegen aufgelehnt. Ihre Entourage aus Whig-Ladys stellte mehr als nur Staffage dar, zwischen den Frauen hatten sich echte Freundschaften entwickelt. Ihr Widerstand führte schließlich dazu, dass Peel seinen Rücktritt verkündet hatte und Melbourne auf seinen alten Posten zurückgekehrt war.
Vier Jahre später hatte Melbourne ein für alle Mal seinen Hut genommen, nachdem Peel abermals die Wahl gewonnen hatte. Victoria hatte jedoch dazugelernt und die Füße stillgehalten. Hinzu kam, dass ihre Freundinnen nach ihrer Liebesheirat mit Albert nicht mehr an erster Stelle standen. So kam es, dass nach und nach die von Peel bevorzugten Hofdamen im Palast Einzug hielten.
Ruperts Aufgabe bestand nun darin, eventuelle schwarze Schafe unter ihnen aufzuspüren. Ein Auftrag, den er gern angenommen hatte, auch wenn es ihn störte, dafür seine Zelte im Palast aufschlagen zu müssen. Ihm war natürlich klar, was Nigel damit bezweckte.
Gesetzt den Fall, Rupert musste eine der Hofdamen verführen, um ihr brisante Informationen zu entlocken, so sollte sichergestellt sein, dass sein Bett nicht allzu weit entfernt stand.
Kapitel 6
Die Soiree fand im Gelben Salon statt, der sich, von
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