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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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etwas zu essen. Das gehörte zur etablierten Gesellschaft, zu den Erzkonservativen, zu den dressierten Geldverdienern. Selbstverständlich würden wir niemals eine Auster schlürfen, selbst dann nicht, wenn wir sie uns leisten könnten. Paul rechnete uns sogar vor, wie lange eine Kriegswaise in Vietnam mit dem, was eine Auster kostete, überleben könnte.
    |60| Warum werde ich den Gedanken an Paul nicht los? Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob es wirklich an diesem Strandabschnitt geschehen ist. Was war damals nur los mit Paul? Keiner hat es sich erklären können. Schon bald hat sich aber auch niemand mehr die Mühe gegeben, es zu erklären. Paul war unten durch. Bei allen! Bei mir auch? Ja, irgendwie schon …
    Wenn ich aufs Meer hinausblicke, sehe ich plötzlich alles vor mir. Und ich fühle wieder die Hilflosigkeit, den Wunsch, mutig zu sein, und gleichzeitig die Angst davor. Ich konnte nicht besonders gut schwimmen, hatte immer meine liebe Mühe, mit den anderen mitzuhalten und mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich mich davor fürchtete, während des Spiels im Wasser untergetaucht zu werden. Uschi, die keine Angst kannte, schien das zu spüren. Sie sorgte immer dafür, dass ich bei den Wasserschlachten am häufigsten getroffen wurde. Elena war auch kein Sport-As, aber das wusste nur ich. Alle anderen hielten sie für tollkühn und furchtlos. Sie hat immer im Wasser ausgelassen gekreischt, hat herumgespritzt und sich hineingeworfen, aber immer dafür gesorgt, dass sie Boden unter den Füßen behielt. Bärbel machte es ähnlich, wenn auch nicht so überzeugend wie Elena. Werner und Rolf dagegen waren gute Schwimmer, wie die meisten Jungen in unserer Klasse. Paul jedoch war der Beste von allen! Er war Rettungsschwimmer! Deswegen hat ja auch keiner verstanden, warum er damals einfach davonlief.
    Werner kämpfte um sein Leben, und Paul rannte weg. Die Hände vor den Bauch geschlagen, den Kopf gesenkt, so |61| hetzte er mit großen Schritten über den Strand. Wohin? Er wollte es nicht erklären, als er schließlich zurückkam.
    Elena war die Erste, die merkte, dass etwas nicht stimmte. »Was ist mit Werner los?« Ich weiß noch, wie dünn und angstvoll ihre Stimme klang.
    Die Brandung brüllte, der Wind schlug uns in die Ohren, trotzdem konnten wir Werners Schreie hören. Er war weit hinausgeschwommen, viel weiter, als Elena, Bärbel und ich es gewagt hätten. Er winkte und schrie. Dann verschwand sein Kopf für unerträglich lange Zeit, schließlich sahen wir wieder seine Hand. Sein Schreien war nicht mehr zu hören. Trotzdem war uns klar, dass er keinen Spaß mit uns machte, dass er wirklich in Not war.
    »Vielleicht hat er einen Krampf«, rief Bärbel aufgeregt. »Wir müssen ihm helfen!«, schrie Uschi.
    Da war Paul bereits aufgesprungen und losgelaufen.
    »Bleib hier!«, brüllte Elena ihm nach, aber es war, als würde er sie nicht hören.
    Paul, der Rettungsschwimmer, lief einfach weg, als sein Freund seine Hilfe dringend brauchte! Nein, das konnte ihm niemand verzeihen.
    Rolf behauptete später sogar, Paul sei nicht nur ein Feigling, sondern auch ein Aufschneider und Lügner. »Das Rettungsschwimmerzeugnis ist vermutlich gefälscht! Paul hat keine Ahnung, wie man jemanden rettet, der im tiefen Wasser einen Krampf bekommt. Deswegen ist er weggelaufen!«
    Ich weiß nicht, ob Paul Gelegenheit bekam, sich zu rechtfertigen. Hat überhaupt jemals wieder einer von uns mit ihm geredet? Ja, Uschi. Sie war die Einzige, die Paul glaubte. |62| Elena lachte sie aus, als sie behauptete, Paul hätte nicht gemerkt, dass Werner in Not war. Er sei aus anderen Gründen weggelaufen. »Ihm ist schlecht geworden«, erklärte Uschi und stellte sich demonstrativ an Pauls Seite. »Ich glaube ihm.«
    Ich habe Elena nie verraten, dass ich Paul auch glaubte, und ich werde es ihr niemals gestehen. Als es Rolf gelungen war, Werner an den Strand zu ziehen, hatten wir uns ja längst geschworen, Paul die Freundschaft zu kündigen. Deshalb konnte ich ihn auch nie darum bitten, mir das Gedicht noch einmal vorzulesen. Was sollte das auch für einen Sinn haben? Uschi hätte es niemals wieder hergegeben.
    Schluss jetzt mit dem tollpatschigen Paul! Vielleicht lebt er längst nicht mehr. Es wäre kein Wunder, wenn er sich beim Schmücken des Weihnachtsbaumes mit dem Lametta stranguliert hat oder während eines Heiratsantrages vom Eiffelturm gefallen ist. Wenn er überhaupt die Idee hatte, diesen romantischen Ort für einen Heiratsantrag zu

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