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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Als der Alte Kursaal sich gefüllt hatte, war sie auch entstanden, diese bewegungslose Hitze. Spannung, Erwartung, so hieß sie gestern Abend. Und gerade, als sie unerträglich wurde, braute sich das Unwetter zusammen. Es würde mich nicht wundern, wenn es heute auch noch ein Gewitter gibt. Warum bin ich nicht in meinem Haus in Braderup geblieben? Unter den hohen Bäumen am Ende des Grundstücks wäre es angenehmer |112| gewesen. Aber im Nachbargarten gibt es auch hohe Bäume, und unter denen sitzt jetzt vielleicht Raffael Sielmann und arbeitet an seinem neuen Buch. Vorausgesetzt, Tonia und Johnny Gefron haben ihn nach dem gestrigen Debakel nicht vor die Tür gesetzt. Aber heute Morgen war er noch da, also wird Tonia sich überlegt haben, dass sie auf die Davidson-Bücher nicht verzichten kann und gute Miene zum bösen Spiel machen muss. Ich will nicht, dass Raffael Sielmann womöglich seine Arbeit unterbricht und an den Gartenzaun kommt. Nicht nach diesem Abend!
    Gut, dass ich später noch mit Elena telefonieren konnte. Ich wäre geplatzt, wenn ich nicht die Gelegenheit bekommen hätte, mit irgendjemandem zu reden. Wahrscheinlich hätte ich sonst die ganze Geschichte dem Kellner bei Gosch oder meiner Tischnachbarin erzählt. Aber das wäre keine wirkliche Erleichterung gewesen. Diese Angelegenheit braucht einfach jemanden, der die Personen kennt, die in dem Stück mitspielen, das gestern aufgeführt wurde.
    Ich war kaum zu Hause angekommen, da ging zu meiner Freude das Telefon. Ich wusste gleich, dass es Elena war. Sie ruft ja meist um diese Zeit an.
    Lachend fragte sie: »Bist du allein? Oder ist dieser Sielmann bei dir? Dann lege ich natürlich sofort wieder auf. Ich will nicht diejenige sein, die dich um deinen ersten One-Night-Stand bringt.«
    »Raffael Sielmann? Der hat andere Sorgen.«
    Ich hatte ja mitgekriegt, dass die Gefrons kurz nach mir wieder in Braderup angekommen waren. Das Auto hatte ich gehört und das Quietschen des Garagentors auch, vor |113| allem aber Tonias Stimme. Ihr Keifen war durch die geschlossenen Fenster gedrungen. Und als ich sie zum Lüften geöffnet hatte, wäre es mir sogar ein Leichtes gewesen, sie zu belauschen, so laut und unbeherrscht kam ihre Stimme aus dem Nachbargarten zu mir. Aber natürlich habe ich mich diskret zurückgezogen. Auch, weil in diesem Augenblick das Telefon ging! So kam ich gar nicht in die Versuchung, mein Gewissen mit einer schweren Indiskretion zu belasten. Vorsichtshalber habe ich die Fenster sogar wieder geschlossen, ehe ich den Hörer abhob. Wer konnte schon sagen, ob man im Nachbargarten genauso taktvoll mit fremden Gesprächen umging wie hier?
    »Elena, stell dir vor, wen ich wieder gesehen habe!«
    Ratloses Schweigen entstand auf der anderen Seite der Telefonleitung, und ich genoss es sehr. Genau so lange, bis aus dem Warten Ungeduld wurde.
    »Nun sag schon!«
    »Uschi!«
    Wieder blieb es eine Weile still in der Leitung, diesmal war es die Überraschung, die Elena die Sprache verschlug.
    »Uschi?«, kam es schließlich atemlos zurück. »Was macht die auf Sylt?«
    »Das habe ich mich natürlich auch gefragt.«
    »Hat die was mit David Davidson zu tun?«
    »Keine Ahnung. Aber sie scheint in der Verlagsbranche zu arbeiten. Sie kennt die Gefrons, und Raffael Sielmann kennt sie auch. Ich glaube sogar … sie hat was mit ihm.«
    »Was? Aber du hast doch gesagt …«
    »Vergiss es! Raffael Sielmann ist für mich gestorben. |114| Nicht nur wegen Uschi. Stell dir vor, sie hatte einen himmelblauen Hosenanzug an! Himmelblau bei Größe 42! Vielleicht sogar 44.«
    »Unmöglich!«
    Es ist wirklich angenehm, eine beste Freundin zu haben. Elena weiß immer genau, wann uneingeschränkte Zustimmung erwartet wird und es überhaupt keinen Sinn hat, mein Gewissen anzurühren, weil ich voreingenommen bin und mir keine Mühe geben will, objektiv zu urteilen.
    »Wie geht es ihr? Ist sie verheiratet? Hat sie Kinder? Was hat sie überhaupt nach der Schule gemacht?«
    Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Deshalb begann ich mit dem, was für mich die allergrößte Sensation war. »Die Davidson-Lesung ist geplatzt.«
    »Warum?«
    »Davidson ist einfach nicht erschienen.«
    »Das gibt’s doch nicht.«
    »Ich will dir was sagen, Elena: Ich glaube, ich weiß, wer hinter dem Namen David Davidson steckt. Und Uschi weiß es auch.«
     
    Paul ist ganz ruhig. Warum eigentlich ist er so ruhig? Am Abend war er derart nervös, dass er zwei Schlaftabletten brauchte, um zur Ruhe zu

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