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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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symmetrisches Haus, ein Haus, das in der Mitte des Grundstücks steht, rechts und links genau die gleiche Anzahl an Büschen, rechts und links von der Haustür ein Licht, der Briefkasten mitten auf dem Gartentor. Symmetrie war etwas Verlässliches, sie gab ihm Sicherheit.
    »Was bist du doch für ein Spießer!«, hat Uschi mehr als einmal ausgerufen, während sie das Haus planten.
    Aber Paul ist nicht von seiner Meinung abgewichen. Ein symmetrisches Haus oder gar keins! Er mag sich gar nicht vorstellen, was Uschi mittlerweile mit dieser Symmetrie angestellt hat. Wahrscheinlich hat sie so viele Umbaumaßnahmen in Auftrag gegeben, dass Paul sich in dem Haus nicht mehr wohlfühlen würde, wenn es noch ihm gehörte.
    Er spürt, dass die Symmetrie an diesem Abend besonders wichtig für ihn ist, und er weiß, dass das kein gutes Zeichen ist. Er fühlt sich nicht wohl, wenn er die Symmetrie braucht, er ist unsicher, kraftlos.
    Der Weg vom Hotel Stadt Hamburg ist kurz, er braucht nur die Norderstraße zu überqueren und steht schon auf der Andreas-Nielsen-Straße, die eigentlich ein großer Platz ist. Es wäre möglich, direkt vom Bürgersteig ein paar Stufen hochzusteigen, wie es die Leute tun, die ins Rathaus wollen, das im linken Teil des Gebäudes untergebracht ist. Er könnte dann über die Terrasse des Cafés Mabuhay gehen, sich zwischen den Strandkörben herdrücken, unter den |104| roten Sonnenschirmen ducken, dann am Eingang des Casinos vorbeigehen und würde schon vor der großen Tür des Alten Kursaals stehen. Aber das ist nicht Pauls Art, ein Gebäude zu betreten. Jedenfalls nicht heute Abend.
    Er geht, als er die Straße überquert hat, geradeaus weiter und macht genau vor der Mitte des Gebäudes Halt. Nun wendet er sich ihm zu und betrachtet es. Ja, ein schönes Gebäude, groß und hell, genau in der Mitte das Café mit seiner gläsernen Front. Aber die Symmetrie ist nicht vollkommen, das fällt ihm erst jetzt auf. Auf der linken Seite befindet sich eine Tür, der Eingang zum Rathaus, auf der rechten sind zwei große Türen. Eine führt ins Casino, die andere in den Alten Kursaal. Pauls Unwohlsein nimmt zu.
    Vor dem Eingang zum Alten Kursaal stehen viele Leute, gut gekleidete Touristen, wichtig aussehende Honoratioren der Insel und Menschen, die Kameras umhängen und Diktiergeräte in der Hand haben. Sie gehen ungeduldig herum und sehen häufig auf die Uhr. Alle anderen scheinen die Zeit des Wartens zu genießen. Sie lassen sich von der Abendsonne bescheinen, nippen an ihren Gläsern, unterhalten sich, genießen die Frage, was für ein Mensch David Davidson sein mag, freuen sich an dem Rätsel, weil es kurz vor der Auflösung steht.
    Paul steigt die Treppe genau in der Mitte hinauf, betritt den geräumigen Vorraum und bleibt exakt in der Mitte stehen. Er lächelt, als er sieht, dass es zwei Türen gibt, die in den Theatersaal führen, links und rechts. Hier ist die Symmetrie perfekt.
    Paul entscheidet sich für die linke, wird jedoch von |105| einem Saalordner aufgehalten. »Moin! Ihre Eintrittskarte, bitte!«
    Paul zuckt die Schultern. »Die habe ich zu Hause vergessen.«
    Der Saalordner schüttelt den Kopf. »Ohne Eintrittskarte können Sie hier nicht rein.« Er schiebt die Augenbrauen in die Höhe wie ein strenger Pädagoge, der seinem Schüler nichts durchgehen lassen will. »Es ist noch Zeit, bis die Lesung beginnt. Sie könnten die Karte vielleicht noch holen? Oder wohnen Sie weit weg?«
    Paul schüttelt den Kopf. »Im Hotel Stadt Hamburg.«
    Nun lacht der Saalordner, der Schüler ist rehabilitiert. »Na, also!«
    Paul wendet sich ab und geht zur Theke. »Ein Bier!«
    Mit dem Glas in der Hand durchmisst er das Foyer einmal zur rechten und dann zur linken Ecke. Der aufmerksame Blick des Saalordners kümmert ihn nicht. Auch nicht der wütende Blick des Mannes, den er angerempelt hat. Dass dabei sein Bier überschwappte, bemerkt er nicht einmal.
    Der Mann verdreht ärgerlich die Augen und wendet sich wieder seiner Frau zu. »Es sind viele Karten vorbestellt worden. Wenn sie eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn nicht abgeholt worden sind, werden sie verkauft.«
    Er schiebt Paul zur Seite, dem klar wird, dass er sich zum Teil einer Warteschlange gemacht hat, ohne es zu merken und zu wollen. Widerspruchslos lässt er sich zum Ende der Schlange drängen und sich zehn Minuten später vorwärts schieben, bis er vor dem Tisch steht, an dem die Karten |106| verkauft werden, die nicht rechtzeitig abgeholt

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