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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Finger denken musste.
    War das Vestenbruggs Unterarm? Und wenn ja, wo war der Rest? Lebte der Oberstleutnant noch oder war er tot? War er wirklich hungrigen Unterstandslosen in die Hände gefallen, die ihn zerfleischt hatten? Oder war er schon vorher tot gewesen und sie hatten sich nur die sterblichen Reste einverleibt?
    »Das ist ja kein Wunder, dass ich bei diesem Thema Magenweh bekomme«, brummte Nechyba in seinen Bart.
     
    Zur Anregung seiner Verdauung nahm er nicht die Tramway, sondern ging zu Fuß. Sein Ziel war die Kaserne am Rennweg, in der das Hoch- und Deutschmeisterregiment untergebracht war. Dort angekommen, führte er ein ausführliches, inhaltlich aber unergiebiges Gespräch mit dem Adjutanten des Regimentskommandanten. Das einzig Erquickliche an diesem Gespräch war, dass es im Offizierskasino stattfand, wo ihm ein ganz ausgezeichneter doppelter Mokka 7 serviert wurde.
     
    Am späten Nachmittag kehrte der Inspector ins Polizeigebäude zurück. Er begab sich in die Asservatenkammer und borgte sich dort grobe sowie zerschlissene Kleidungsstücke aus (was bei Nechybas gewaltigen Körpermaßen gar nicht so einfach war). Er kleidete sich in seinem Büro um und verließ – unter den verwunderten Blicken der diensthabenden Kollegen – wie ein Griasler 8 aussehend das Polizeigebäude. Mit noch immer anhaltendem Magendrücken begab er sich zur Suppen- und Teeanstalt am Tiefen Graben – einem Treffpunkt der Unterstandslosen.

XI.
    Durch eine verhängte Glastür betrat er einen großen, schummrig beleuchteten Raum, der an der rückwärtigen Seite durch ein lang gestrecktes Pult abgeschlossen wurde. Die Einrichtung bestand aus primitiven Holztischen und Sesseln. Alles war sehr armselig, aber reinlich. Nechyba genierte sich fast für seine abgerissene Erscheinung, denn ein Teil des Publikums war durchaus anständig gekleidet. Wenn man allerdings beobachtete, wie sich die hier Anwesenden an der langen Theke eine Portion der dünnen Suppe holten und diese mit beiden Händen wie ein Kleinod zu einem der freien Plätze trugen, sah man, dass sie arme Teufel waren. Nechyba setzte sich auf einen der wenigen freien Plätze nahe der Tür. Dabei stieß er mit der Schulter an den ältlichen Mann, der neben ihm saß und voll Andacht ein Linsengericht löffelte. Der Mann warf ihm einen misstrauischen Blick zu, bog den Oberkörper weg, um nicht nochmals mit ihm in Berührung zu kommen, und giftete: »Können S’ net nach hinten gehen? Da ist genug Platz … Müssen S’ mich mit ihrem dreckigen G’wand abschmieren?«
    »Entschuldigen Sie, ich bin fremd da«, stammelte Nechyba.
    »Fremd, fremd«, fuhr der Mann ihn an. »Am besten wären S’ daheim blieben … alle kommen nach Wien und fressen uns Wienern alles weg. Von überall kommens! Die Behm, die Krowotn und die Katzelmacher 9  … die werden bei ihnen daham ausseg’schmissen und dann kommens zu uns. Und wir in Wien müssen uns mit den Gfrastern 10 herumschlagen!«
    Nechyba, dessen Vater ebenfalls aus Böhmen zugewandert war, entgegnete: »Aber das sind doch meist arme Hunde …«
    »Was heißt arm? Arm sind wir selber! Die sollen schaun, wo sie bleiben …« Resigniert beugte sich der Mann über seine Schüssel, um weiter Linsen zu löffeln. Nechyba aber stand auf und überlegte kurz, ob er sich auch etwas zum Essen kaufen sollte. Obwohl die angebotenen Speisen gut rochen und aussahen, reagierte sein noch immer verstimmter Magen mit leisem Sodbrennen auf diese Idee. Und so ging er an der Theke und an den dampfenden, riesigen Töpfen vorbei in den hinteren Raum der Suppen- und Teeanstalt. Dort gab es noch einige freie Plätze. Nechyba setzte sich so, dass er den Durchgang gut im Auge hatte. Schließlich war er ja mit Goldblatt verabredet. Als er da saß und wartete, bemerkte er rechter Hand einen Griasler, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Nach einigem Grübeln fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Die Elendsgestalt war sein früherer Lieblingsfleischhauer Anastasius Schöberl. Nechyba stand auf, packte seinen Sessel und ging hinüber zu Schöberl. Der duckte sich ängstlich über seinen Suppentopf, als er die hünenhafte Gestalt auf sich zukommen sah. Nechyba legte ihm seine Pranke auf die Schulter. »Rutsch ume 11 .«
    Schöberl tat, wie ihm geheißen. Nechyba zwängte seinen Sessel zwischen den von Schöberl und den seines Tischnachbarn. Mit einem Seufzer nahm er Platz.
    Ihm fiel auf, dass alle Anwesenden peinlich bemüht waren, wegzuschauen. Auch Schöberl

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