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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Der ist ihm draufgekommen und hat ihn rausgehaut. Aus dem Geschäft und aus der Wohnung. Denn der Schöberl hat im Haus von seinem Meister gewohnt. Papiere hat er auch keine bekommen, deshalb hat er auch keine neue Arbeit gekriegt, und so ist er ein Griasler geworden, der jetzt im Kanal wohnt.«
    »In was für einem Kanal, um Gottes willen?«
    »Der Schöberl haust unten in einem Schacht beim Donaukanal. Andere wohnen unterm Karlsplatz in Schächten und Mauervorsprüngen oder sonst wo. Es gibt ein Elend in der Stadt, das kannst du dir gar nicht vorstellen.«

XIII.
    Nein, Nechyba hatte überhaupt keine Lust, sich wiederum als Griasler zu verkleiden. Deshalb sprach er bei Zentralinspector Gorup von Besanez vor und berichtete ihm über den Stand der Ermittlungen. Auf die Frage, was er nun zu tun gedenke, antwortete er: »Heute Nacht eine Großrazzia im Kanalsystem des Wienflusses machen.«
    Ferdinand Gorup von Besanez schaute ihn verblüfft an. »Und warum ermitteln Sie nicht einfach verdeckt weiter?«
    »Weil ich unbedingt diese Kannibalismusgeschichte aufklären will. Dafür brauch ich aber, wenn es hart auf hart geht, mehrere Beamte. Falls es da unten zu einem Aufstand kommt … Außerdem haben wir bei einer Großrazzia die Chance, weitere Leichenteile zu finden. Und wenn wir bei dieser Aktion auch noch die Presse mit einbinden, kann niemand von den Herrschaften schreiben, dass sich die Wiener Polizei nicht ernsthaft um diese Menschenfressergerüchte kümmert. Dann müssen s’ schreiben, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun …«
    Das letzte Argument überzeugte den Zentralinspector. »In Ordnung. Machen wir die Razzia. Erstellen Sie jetzt am Vormittag einen genauen Einsatzplan und legen Sie fest, wie viele Männer Sie brauchen. Ab Mittag können wir die Kommissariate des 3., 4. und 6. Bezirks benachrichtigen, damit sie ihre Leute, die sich im Bereitschaftsdienst befinden, mobilisieren. Zusammen mit den Agenten Ihrer Gruppe müssten wir auf circa sechzig Mann kommen. Das sollte ausreichen.«
    Nechyba nickte zustimmend und empfahl sich mit einem: »Jawohl! Und danke schön, Herr Baron!«
     
    Eine Mischung aus Straßenstaub, Dreck und Taubenkot rieselte auf Nechyba nieder. Er zog den Kopf ein, hielt den Atem an und stieg eilig die enge Wendeltreppe weiter hinunter. Er streifte die Mauer mit seiner Schulter und sah, dass er nun einen dunklen, schmierigen Fleck auf seinem gepflegten Mantel hatte. Im Stillen verfluchte er nun die Idee, in den verdammten Kanälen eine Razzia zu machen.
    »Wenn S’ hier unterwegs sind, müssen S’ damit rechnen, ein bisserl Dreck zu schlucken. Das ist da herunten ganz normal«, erklärte ihm sein Führer. Und fügte hinzu: »Staub und Ruß sind übrigens der einzige Niederschlag, den’s hier gibt.«
    Der Kerl war ein für das Kanalwesen in Wien zuständiger Magistratsbeamter namens Pichler. Er kannte sich in dem verwirrenden Labyrinth wie in seiner Westentasche aus.
    Nach über hundert Stufen gelangte die kleine Gruppe, die aus dem Oberbaurat Pichler, Joseph Maria Nechyba, Leo Goldblatt und fünf Polizeiagenten bestand, in einen leicht abfallenden Gang. Schweigend gingen sie weiter und kamen zum Hauptkanal des überdachten Wienflusses. In Folge der heftigen Schnee- und Regenfälle der letzten Wochen war der sonst eher einem Bach gleichende Wienfluss mächtig angeschwollen. Im flackernden Licht der Laternen betrachtete Nechyba die monumentale Anlage 16 : Eine unterirdische Welt mit unzähligen Seitenschächten, Verbindungs- und Zuflusskanälen, Röhren, Kammern und Schläuchen tat sich vor ihm auf. Die Gruppe wanderte flussabwärts zur großen Schleusenhalle, die unterhalb des Getreidemarktes lag. Ein Ort, an dem der ›Stadtkoller‹ und der Wienfluss sich vereinigten. Vor dem ›Schwarzenbergturm‹, einem Stiegenaufgang 17 , der oberirdisch in einem achteckigen Metallkiosk endete, hielt die Gruppe vor einer anderthalb Meter breiten Röhre. Sie führte zur sogenannten ›Küche‹. Nechyba kroch hinter Pichler und vor Goldblatt in die Röhre hinein. Direkt in eine geräumige Steinkammer, wo sie auf ein gutes Dutzend schlafender Griasler trafen. Der Inspector, der rundum schmutzig und nass war, fackelte nicht lange. Er schnappte sich die nächstbeste Elendsgestalt, gab ihr eine fürchterliche Ohrfeige und knurrte: »Wo sind die Leichenteile? Wer von euch hat was gesehen? Und wer von euch hat Menschenfleisch gefressen?«
    Der Griasler jammerte. »Exzellenz, net schlagen! Bitte

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