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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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auf ganz bezaubernde Weise an Wanda von Dunajew erinnerte. Jene Dame, der Leopold Ritter von Sacher-Masoch mit seinem Roman ›Venus im Pelz‹ ein literarisches Denkmal gesetzt hatte.

X.
    Einen Montag wie diesen 2. März 1908 hätte Joseph Maria Nechyba am liebsten aus seinem Leben gestrichen. In der Früh holte er den gut gekühlten Finger samt Unterarm aus Goldblatts Redaktion ab. Dass der Leichenteil sehr gut konserviert war, lag an dem unbeständigen, kalten Wetter mit immer wieder einsetzendem Schneetreiben und Temperaturen um die null Grad. Und das Anfang März! Es sah so aus, als ob der Frühling überhaupt nicht kommen wollte.
     
    Doktor Mitterlehner, der diensthabende Pathologe, den Nechyba von früher kannte, kam der Bitte um eine rasche Untersuchung sofort nach. Folgende Anhaltspunkte ergaben sich: Der Unterarm stammte von einem wohlgenährten Mann zwischen dem fünfzigsten und dem sechzigsten Lebensjahr. Da seine Hände keinerlei Spuren von harter Arbeit zeigten, gehörte der Verstorbene wahrscheinlich der Oberschicht an. Als Nechyba gegen Mittag ins Polizeigebäude kam, konnte er – was für ein Tag! – sein schmerzlich vermisstes Gabelfrühstück nicht nachholen. Denn sein Adjutant Pospischil teilte ihm mit, dass der Herr Zentralinspector ihn umgehend sprechen wolle. Mit knurrendem Magen und säuerlichem Gesichtsausdruck betrat er wenig später das Büro von Ferdinand Gorup von Besanez.
    »Nechyba! Wo haben S’ denn den ganzen Vormittag gesteckt? Haben S’ in einem Beisl ein besonders ausführliches Gabelfrühstück zu sich genommen?«
    »Ja, im Wirtshaus Zum gefrorenen Finger«, knurrte der Inspector.
    »Was? Zum gefrorenen Finger? Das klingt ja grauslich.«
    »Ist es auch. Ich war in der Pathologie und hab dort einen gefrorenen Unterarm samt ausgestrecktem Zeigefinger vom Doktor Mitterlehner untersuchen lassen. Es handelt sich dabei um einen Leichenfund beziehungsweise um den Fund eines Teils einer Leiche.«
    »Ein Leichenstück? Und wo ist der Rest?«
    »Das wissen wir noch nicht. Wenn Sie sich daran erinnern, hat’s vor einigen Tagen in der Zeitung eine Riesengeschichte über angeblichen Kannibalismus in Wien gegeben. Heut Morgen hab ich in der betreffenden Redaktion diesen Unterarm sichergestellt. Die haben ihn dort auf dem Fensterbrett kühl gelagert.«
    »Und ich hab geglaubt, das mit dem Kannibalismus ist eine Zeitungsente. Eine Erfindung der Journaille …«
    »Schön wär’s. Tatsache ist aber, dass Unterarm und Hand einem fünfzig- bis sechzigjährigen Mann, der augenscheinlich keiner harten körperlichen Arbeit nachgegangen ist, gehört hat. Er ist übrigens völlig dilettantisch vom restlichen Arm abgetrennt worden.«
    »So, so. Sie verfolgen diese unappetitliche Geschichte hoffentlich mit Nachdruck weiter, Nechyba? Außerdem möchte ich Sie bitten, sich folgender Sache anzunehmen: Vor über einer Woche ist ein Stabsoffizier vom Infanterieregiment N° 4 spurlos verschwunden. Heut hab ich vom Militärkommando die Bitte erhalten, dass wir bei der Suche helfen sollen. Bei dem Vermissten handelt es sich um einen gewissen Oberstleutnant Friedrich von Vestenbrugg, Kommandant des 1. Bataillons des Hoch- und Deutschmeisterregiments. Auf gut Wienerisch: Ein Stabsoffizier der Edelknaben 5 ist verschütt gegangen.«
    »Wie alt war denn der Vestenbrugg?«
    Gorup von Besanez reichte Nechyba einen dünnen Akt. »Da müssten alle Informationen drinnen stehen. Schaun Sie sich das in Ruhe an, Nechyba. Und setzen Sie einen Ihrer Leute darauf an. Der Vestenbrugg muss ja eine Familie, Freunde, Verhältnisse et cetera gehabt haben. Das sind alles Ansatzpunkte, um ihn zu finden. So, das wär’s! Ich muss jetzt zu einem Mittagessen mit dem Polizeipräsidenten.« Im Davoneilen drehte sich der Zentralinspector noch einmal um und rief: »Und vergessen S’ mir die Kannibalen nicht! Ich möchte nicht, dass das in Wien modern wird. Sonst bekommen wir demnächst noch im Gasthaus panierte Finger serviert …«
     
    Nechyba nahm ein spätes Mittagessen in der Gastwirtschaft ›Zum Alten Heller‹ in der Fasangasse zu sich. Hungrig wie ein Wolf verzehrte er eine Frittatensuppe, einen Vanillerostbraten mit Braterdäpfeln sowie böhmische Palatschinken 6 . Trotz des nachfolgenden Verdauungsschnapserls lag ihm das üppige Mahl wie ein Stein im Magen. Vielleicht auch deshalb, weil er beim Essen die Akte Vestenbrugg studiert hatte. Und weil er dauernd an den abgetrennten, gefrorenen Unterarm mit dem ausgestreckten

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