Reigen des Todes
Offiziere von unserem Bataillon sind gestern zu einer Privatvorführung von pikanten Herren-Films eingeladen gewesen. Und in dem mit Abstand pikantesten dieser Films spielte die Moravec mit. Minutenlang ist die in dem Film, mit nix als mit einem durchsichtigen Negligé bekleidet, herumgerannt …«
III/4.
Mit lockerem Handgelenk und kräftigem Schwung schlug sie ihm ins Gesicht. Die Backe, auf die sie geschlagen hatte, rötete sich. Mit ungläubigem Staunen und offenem Mund sah er sie an. Ob dieses naiven Staunens musste sie lachen. Zwischen ihnen befand sich ein festlich gedeckter Tisch, auf dem sich diverse Delikatessen türmten. Mit spitzen Fingern griff sie nach einem Gänseleber-Kanapee und biss mit kritischer Miene davon ab. Sie kaute mit Bedacht, warf im nächsten Moment den angebissenen Teil des Kanapees zurück auf den Teller und maulte: »Diese Gänseleber ist letztklassig. Nie wieder kommt mir ein kaltes Buffet von Meißl & Schaden ins Haus. Einzig der Rindfleischsalat ist essbar … Was schaust denn so blöd? Schenk mir lieber noch einen Schluck Tokajer ein. Der ist zum Glück trinkbar.«
Johann Schwarzer tat, wie ihm geheißen. Seine linke Backe brannte heftig von der Ohrfeige, die ihm die Moravec verpasst hatte. Er wunderte sich über sich selbst. Wie war es dazu gekommen, dass er sich von ihrer dominanten Persönlichkeit so angezogen fühlte? Einem Automaten gleich schenkte er ihr und sich selbst Süßwein nach und überlegte, ob er es wagen sollte, weiter von der Gänseleber zu essen. Er fand sie absolut delikat. Außerdem harmonierte sie perfekt mit dem Süßwein. Steffi merkte sein Zögern und schob ihm mit maliziösem Lächeln den Teller mit den Gänseleber-Kanapees hin.
»Da, iss! Wenn’s dir schmeckt, iss. Bist halt nichts Besseres gewohnt … in dem böhmischen Kaff, in dem du aufgewachsen bist, kennt man wahrscheinlich eine anständige Gänsestopfleber gar nicht. Dort habt ihr die Leber wahrscheinlich mit dem Viech mitgebraten und alles zusammen mit Kraut und Knödeln gefressen.«
Missmutig schob er eines der köstlichen Häppchen in seinen Mund. Und obwohl er sich über ihre typische Wiener Arroganz allen Zuag’rasten 81 gegenüber ärgerte, genoss er den süßlich cremigen Geschmack der Leber. Die Wiener glaubten, dass sie als Kinder der Reichshaupt- und Residenzstadt etwas Besseres seien. Am liebsten hätte er ihr seine Meinung gesagt. Doch er behielt sie für sich, da er nicht noch eine Ohrfeige riskieren wollte. Schwarzer zog den Schädel ein und stopfte nacheinander alle Gänseleber-Kanapees in sich hinein. Die Moravec beobachtete seine Reaktion mit kaltem Blick. So wie ein Naturwissenschaftler ein Insekt auf dem Seziertisch betrachtet. Die Unterwürfigkeit des noch vor wenigen Wochen äußerst selbstbewussten Mannes faszinierte sie. Darüber hinaus musste sie sich auch eingestehen, dass seine Servilität sie erregte. Aus reiner Bosheit schnappte sie sich das allerletzte Kanapee, steckte es in den Mund, verdrehte dabei die Augen und seufzte: »Also, das kann man wirklich nicht essen. Pfui Teufel!«
Gleichzeitig, seine Verwirrung genießend, begann sie, mit dem Außenrist ihrer Lederstiefelette die Innenseite seines linken Beins zu streicheln. Und während sie ihm befahl, ihr noch etwas von dem Rindfleischsalat zu reichen, wanderte ihr Fuß langsam über sein Knie den Schenkel empor. Bis die suchende Fußspitze ihr Ziel zwischen seinen Beinen erreicht hatte. Mit vollem Mund kauend, ordnete sie an: »Schau nicht so. Knöpf mir lieber die Stiefelette auf und befreie meine Zecherln von dieser ledernen Hülle. Außerdem will ich jetzt ein Glas Rotwein. Also, mach schon. Worauf wartest denn?«
Und während er ihren Wünschen diensteifrig nachkam, ließ das Brennen der Backe deutlich nach. Dafür loderte nun etwas anderes …
Als sie einige Zeit später in nichts als in eine Decke gehüllt durch das nächtliche Atelier der Saturn-Film streifte, kam ihr im Vergleich mit dem Collredischen Palais alles eng und extrem armselig vor. Allein der Umstand, dass das Atelier auch als Wohnung, Büro und Lager diente, bedrückte sie. Was sie richtig störte, war der Umstand, dass Schwarzer auch dieses Faktotum, den Schöberl, hier übernachten ließ. In dieser Hinsicht war er stur, da ließ er sich von ihr nichts anschaffen. Wahrscheinlich war es Mitleid – Johann Schwarzers weiches Herz. Die Moravec grinste. Sie blieb bei einem Fenster stehen und sah auf die nächtliche Fasangasse hinunter,
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