Reigen des Todes
bitter genug gewesen. Nein, seinen Arbeitsplatz bei der Saturn-Film wollte er unbedingt behalten. Deshalb hatte er ja auch der ›gnädigen Frau‹ geholfen … aber halt! Daran zu denken, hatte er sich verboten. Denn wenn er daran dachte, freute ihn das ganze Leben nicht mehr. Also verschloss er die Kiste mit einem Holzdeckel und nagelte diesen rundum zu. Dann schnappte er die Kiste links und rechts – der Schöberl war noch immer ein kräftiges Mannsbild – und trug sie schnaufend und schwitzend zur Eingangstür des Ateliers. Gerade als er die Kiste abstellen und die Tür öffnen wollte, wurde sie von außen geöffnet und Schwarzer trat ein. Er machte einen behänden Schritt zur Seite und rief: »Vorsicht, Schöberl! Ich bitt’ dich, sei vorsichtig! Die Glasdiapositive sind sehr zerbrechlich und auch die Kameras sind heikel.«
»Ich weiß, gnädiger Herr. Ich pass eh auf«, schnaufte Schöberl und verschwand mit der Kiste im Stiegenhaus. Von oben hörte er Schwarzer rufen: »Wennst alle Kisten unten hast, ruf ein Pferdefuhrwerk, das uns das ganze Glumpert zum Arenbergring fährt! Und … Schöberl … da kannst auch gleich Mittagspause machen. Geh ins Beisl um’s Eck, iss was G’scheites und lass das auf meine Kosten anschreiben. Damit du mir am Nachmittag nicht zusammenbrichst, beim Kistenschleppen.«
Nach dem Mittagessen schaffte Schöberl die letzten Kisten aus dem Atelier hinunter in den Hauseingang, wo man vor lauter Umzugsgepäck kaum mehr durchgehen konnte. Beim Mittagessen im Beisl hatte Schöberl einen Dienstmann getroffen, den er beauftragt hatte, ein Pferdefuhrwerk herbeizuschaffen. Kurz nach zwei Uhr nachmittags erschien der Dienstmann mit dem Pferdefuhrwerk. Zu dritt – er, Schöberl, der Dienstmann und der Kutscher – hoben sie die Kisten auf das Fuhrwerk. Eine Arbeit, bei der plötzlich die Moravec aufkreuzte und den drei hart arbeitenden und schwitzenden Männern eine Reihe von Anweisungen gab. Zähneknirschend befolgten sie diese. Als alles aufgeladen war, dachte Schöberl mit Schaudern daran, dass er das ganze Graffelwerk alleine in das Dachatelier am Arenbergring würde hinauftragen müssen. Und da die ›gnädige Frau‹ ihm ja noch so einiges rund um das Verschwinden des Hansi Popovic schuldete, baute er sich vor ihr auf. Mit fester Stimme sagte er: »Gehen S’, gnädige Frau, für das Hinaufschleppen in das Atelier am Arenbergring wär die Hilfe von dem Dienstmann schon angebracht. Das geht viel schneller und kostet net viel.«
Die Moravec zögerte kurz. Ihr erster Impuls war, dem Schöberl eine Gosch’n anzuhängen 87 . Sie besann sich aber eines Besseren. Denn der Schöberl hatte ihr unlängst sehr geholfen. Und er hielt auch sein Versprechen, über diesen Vorfall zu schweigen. Und da sie es sich wegen ein paar Heller mit dem Schöberl nicht verscherzen wollte, lächelte sie maliziös und sprach: »Ich hab immer geglaubt, Sie sind ein Kraftlackel, Schöberl. Aber richtig kräftige Männer gibt’s heute anscheinend nimmer. Wenn ich ein Mannsbild wär, würd’ ich Ihnen beim Rauftragen höchstpersönlich helfen.«
»Na und der gnädige Herr? Vielleicht könnt der mir helfen?«
»Reden S’ keinen Blödsinn, Schöberl. Ich hab von richtig kräftigen Männern geredet. Also sagen S’ dem Dienstmann, dass er mitkommen soll. Aber dass bis heute Abend alles oben ist im Atelier! Haben Sie mich verstanden?«
»Selbstverständlich, gnädige Frau! Danke schön, gnädige Frau!«
»Gemmas an!«, wies er den Dienstmann an und klopfte ihm auf die Schulter. Sie stiegen zum Kutscher auf den Kutschbock, der schnalzte mit der Peitsche, rief »Hühott!« und ächzend setzte sich das schwer beladene Gefährt in Bewegung.
Dank der Hilfe des Dienstmannes ging das Hinauftragen der Kisten zügig voran. Um fünf Uhr nachmittags hatten die Männer alles im neuen Atelier. Nun holten sie sich von einem nahe gelegenen Wirt einen Krug Bier. Gemütlich auf den Kisten sitzend, tranken sie und ruhten sich aus. Als plötzlich die Moravec hereinkam, sprang Schöberl wie ein beim Schummeln ertappter Schüler auf. Verlegen hielt er den Bierkrug in der Hand. Die Moravec grinste nur und bezahlte den Dienstmann. Schöberl trank schnell den Rest des Bieres aus und gab den Krug dem Dienstmann, damit der ihn dem Wirt zurückbringe. Auf Anordnung der Moravec öffnete er alle Kisten. Gemeinsam sichteten sie deren Inhalt und sie teilte ihm mit, wo sie was in den großen, stabilen Regalen stehen haben
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