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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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böser Traum.
    »David …« Ihre Stimme, leise, heiser. War es ein Traum? Ein Gesicht, das sich über sie beugt – so hell … die Stimme so anders … Nein, nicht David – das ist Ota. David im Schnee hinter seinem Wagen … Verzweiflung, die aufwallt und sie zu ersticken droht. »David … Wo ist …?«
    »Ganz ruhig, Magda. Hörst du mich?«
    Sie riss die Augen auf, starrte ihn an. Rasende Gedanken – es war ein Traum, es muss ein Traum gewesen sein! Sie versuchte zu nicken. Das Dröhnen in ihrem Kopf und der Schmerz wurden stärker. Nicht bewegen. Sie blinzelte, die Sicht wurde klarer. Sie lag auf einem Bett. Der penetrante Geruch, der sie umgab, war ihr seltsam vertraut … Krankenhaus, schoss es ihr durch den Kopf. Ota saß neben ihr, hielt ihre linke Hand, sein Gesicht so ernst.
    »Was ist passiert, Ota?« Es war nur ein Flüstern. »Wo ist David?« Panik ergriff sie. Der Schuss. David auf dem Boden, das Blut auf seinem Gesicht … der plötzliche Schmerz in ihrem Kopf …
    »Magda, es tut mir leid … Er … David ist …« Seine Stimme brach. Diese Stille, die mehr als alle Worte sagte. Nein. Nein! Die Stimme schrie nur in ihrem Kopf. Sie brachte keinen Ton heraus, starrte ihn an, versuchte, sich aufzusetzen, krallte sich in die Hand, die die ihre hielt, mit aller Kraft, bis er das Gesicht vor Schmerz verzog. Sie sah die Tränen, die seine Wangen hinunterliefen. Sie wusste es, noch bevor er es aussprach.
    »Es tut mir leid, Magda. Er ist … tot.«

6
    Člověku dělá dobře držet se rozhodnutí,
která nikdy neučinil.
    Es tut gut, an Entscheidungen festzuhalten,
die man niemals getroffen hat.
    Larissa Khek saß an ihrem Schreibtisch in der Redaktion der Prague Post und studierte die tschechische Tagespresse. Alles war besser, als über den unfassbaren Tod des Kommissars nachzudenken. Sie versuchte, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Im Nachrichtenteil einer der großen Tageszeitungen fiel ihr ein kurzer Artikel ins Auge. Wieder verletzter Tourist im Straßengraben , lautete die Überschrift des kurzen Einspalters. Sie überflog den kleinen Absatz. Im Straßengraben einer Landstraße bei Franzensbad war ein verletzter Mann gefunden worden. Der Mann, ein deutscher Tourist, konnte keine Angaben machen, wie er dort hingeraten war und was genau passiert war. Offenbar war er zusammengeschlagen und ausgeraubt worden. Es handelte sich schon um den vierten solchen Fall seit dem Sommer. Die Polizei bat um sachdienliche Hinweise.
    Larissa seufzte. Der Mann hat Glück gehabt, dachte sie, dass er nicht erfroren ist. Sie warf entschlossen einen Blick auf ihre Armbanduhr und riss sich so gut sie konnte zusammen. Erst halb elf. Sie war todmüde, der gestrige Abend bei Magda war lang gewesen, sie war erst gegen drei Uhr morgens ins Bett gefallen und hatte kaum geschlafen. Seit dem Tod des Kommissars trafen sich die Freunde mehr oder weniger regelmäßig bei Magda, entweder in ihrer Wohnung oder in ihrem Restaurant Ráj. Es waren immer lange, ziemlich weinlastige Abende. Aber sie taten ihnen allen gut. Sie betrachtete unschlüssig ihren Computer. Der Bildschirm zeigte ihren unfertigen Artikel über einige Personalien im Kulturbetrieb. Sie sollte ihn an diesem Nachmittag abgeben. Ihr Konto brauchte diesen Artikel. Dringend. Wenn sich Dan Bernstein, der Chefredakteur, doch endlich dazu durchringen könnte, ihr einen festen Vertrag zu geben. Es war aufreibend, jeden Monat als Freie versuchen zu müssen, ihre Miete bezahlt zu bekommen, von ihren anderen Ausgaben ganz zu schweigen. Prag war inzwischen ein ziemlich teures Pflaster. Ein festes Gehalt – der Traum ihrer schlaflosen Nächte. Unter Aufbietung aller Kräfte machte sie sich an die Arbeit.
    Zwanzig Minuten später, nachdem sie den fertigen Artikel der Kulturredakteurin geschickt hatte, klingelte Larissas Telefon. Als sie abhob, meldete sich Steve Persson, der Nachrichtenchef, und bat sie, in sein Büro zu kommen. Sie legte auf, streckte sich und ging die wenigen Schritte über den Flur in sein Büro.
    » Mornin’, Larissa«, sagte Steve in seinem breiten amerikanischen Englisch, » grab a seat .« Er deutete auf den Stuhl vor seinem überfüllten Schreibtisch und schob einige Papiere zur Seite.
    » Morning , Steve, what’s up ?«, erwiderte sie und nahm Platz. Sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Zu ihrer eigenen Überraschung gelang es ihr.
    »Ich habe etwas für dich. Hast du Lust auf eine kleine Reise?«
    Larissa zog die Augenbrauen hoch.

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