Reinen Herzens
Doktor Benda ist – laut Katz – nach Irland abgereist, kaum dass die Leiche vernäht war.«
»Nach Irland? Ziemlich weit weg.« Sie zog die Brauen hoch.
»Hm.«
»Und jetzt?«
»Diesen Benda können wir immer noch suchen. Katz sagte, die Leiche sei abgeholt worden und womöglich schon eingeäschert. Also nehmen wir uns die Krematorien vor. Das in Strašnice ist näher bei uns, also fangen wir damit an.« Fünf Minuten später legte Jirka Kratochvíl auf.
»Und?«, fragte Magda ungeduldig.
»Es wurde tatsächlich ein David Anděl dort eingeäschert.«
»Und wer hat … das veranlasst?« Sie fröstelte bei dem Gedanken an eine Einäscherung. Das Wort hatte eine grausame Endgültigkeit, sie wagte nicht, es auszusprechen.
»Irgendjemand über das Internet – ein Verwandter, nehme ich an. Sie wollten mir den Namen nicht sagen. Es wurde ein einfaches Begräbnis bestellt: einfachster Sarg, nur Kremation ohne alles, keine Gäste, keine Karten, billigste Urne.«
»Seltsam. Seine Eltern sind im Urlaub, sagte David. Wer hat die Urne abgeholt?«
Jirka grinste. »Noch niemand. Deshalb werden wir das jetzt schnell machen. Ich möchte wissen, was drin ist.« Er sprang auf, schlüpfte aus seinem Laborkittel und griff sich seinen Mantel.
Magda musterte ihn skeptisch. »Na, was soll schon drin sein …« Trotzdem stand sie auf, um mitzukommen. Vier Pfund Asche, dachte sie, alles, was von einem Menschen übrig bleibt.
»Hm. Ich habe mich nach dem Zustand der Leiche vor der Einäscherung erkundigt. Der Typ sagte, er habe keine Ahnung, der Sarg sei im Krematorium abgeholt und mit der Leiche drin wieder gebracht worden. Vernagelt. Man sagte ihnen, der Sarg dürfe nicht mehr geöffnet werden, weil die Leiche möglicherweise ansteckend sei.« Er zog vielsagend die Augenbrauen hoch.
»Du meinst …« Ein Hauch Hoffnung keimte in ihrem Inneren auf.
»Na, Katz sprach dauernd von einem Obdachlosen, der Arzt ist nach Irland entfleucht, und im Krematorium hat niemand die Leiche gesehen, weil sie angeblich ansteckend war. Im Obduktionsbericht steht, David sei an einem Steckschuss ins Herz gestorben, aber du hast keine Schusswunde in der Herzgegend gesehen. Also wenn ich das alles zusammenzähle, dann kommt ein großes Fragezeichen dabei raus.«
»Da ist was dran. Fahren wir los.« Die Hoffnung, dachte sie, ist nicht totzukriegen.
Eine Stunde später und nach einer hitzigen Diskussion verließen sie das Krematorium zufrieden mit einer schlichten Urne. Magda saß auf dem Beifahrersitz, das Gefäß auf dem Schoß. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass darin Davids Asche liegen sollte. Jirka startete den Wagen, legte den Rückwärtsgang ein, dann hielt er inne.
»Guck mal. Da hinten.«
Magda drehte sich um. Schräg hinter ihnen war ein Mann aus einem roten Škoda Oktavia gestiegen und lief nun auf das Krematorium zu. »Wer ist das?«
»Das, meine Liebe, ist Doktor Milan Katz. Und wenn du mich fragst, möchte er diese Urne hier abholen. Wir sollten also zusehen, dass wir von hier verschwinden.« Er lachte.
»Komisch. Warum sollte er sie abholen? Das ergibt doch keinen Sinn, Jirka.« Sie warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. »Du magst ihn nicht, oder?«
»Warum sollte er wohl sonst hier sein, so kurz nach unserem unerfreulichen Gespräch? Und was das Mögen angeht, nun, sagen wir, er ist nicht einer meiner besten Freunde. – Wir hatten mal … äh, gewisse gemeinsame Interessen. Aber das ist lange her. Es ging ungefähr unentschieden aus. Ich ging an die Uniklinik, er zur Armee, er hat geheiratet, ich nicht.«
Magda sah ihn von der Seite an und lächelte. »Aha. So ist das. Ist die Dame diese Bosheiten noch immer wert?«
»Ehrlich? Nein. Inzwischen ist sie eine echte Matrone. Schade, war mal sehr hübsch. Er hat damals Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie zu kriegen. Das hat er nun davon. Ich gönne sie ihm von Herzen. – Das mit Milan und mir ist … Gewohnheit. Ja, vermutlich nichts als alte Gewohnheit.«
12
Kde jsou moji přátelé?
Které nenávidím za jejich blízkost
a spolehlivost.
Wo sind meine Freunde?
Die ich hasse für ihre Nähe
und Zuversicht.
Felix Benda saß auf einem Stuhl in einem kargen Krankenzimmer des Militärhospitals und sah aus dem Fenster. Seit knapp einer Woche kam er täglich für ein paar Stunden hierher. Zwei Tage nach der Schießerei in Holešovice war plötzlich ein Inspektor der Mordparta im Krankenhaus aufgetaucht. Da hatte er schon gewusst, dass die verletzte Frau eine gewisse
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