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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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fand Anděl, aber es beantwortete nur einen Bruchteil seiner Fragen. »Und warum warst du dort? Das war doch kein Zufall, oder?«
    »Nein. Das ist, wie gesagt, eine lange Geschichte. Aber langsam. Kannst du dich sonst noch an etwas erinnern? Du hast die Koffer ausgeladen, Magda ist ins Haus gegangen – hast du jemanden auf dem Bürgersteig gesehen?«
    Anděl schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern. Bilder der vergangenen Tage stiegen vor seinem geistigen Auge auf. Der tote Alchemist im Hotel, die alte Dame, die ihm den Fuß ihrer Nachbarin gebracht hatte, der Abend, als sie in Bergers Büro gestürmt waren, Larissa, die an den umgestürzten Stuhl gefesselt gewesen war und zitterte wie Espenlaub … Der Morgen danach … er sah sich in seinem Wohnzimmer stehen und einen Espresso trinken, während er auf Otakar Nebeský wartete … Magda hatte gerade aus Paris angerufen, um zu sagen, dass sie am Abend in Prag landen würde … er hatte sich gefreut, aber da war noch etwas … etwas, das ganz und gar nicht erfreulich war … Das Telefon hatte wieder geklingelt … diese Stimme – Eva! Er stöhnte auf. Eva . Er hatte sie ganz vergessen – oder eher erfolgreich verdrängt.
    »David, wen hast du gesehen?«
    Der Kommissar schlug die Augen auf und sah Felix an. » Sie war dort – Eva. Sie war plötzlich da, auf dem Bürgersteig …« Hatte sie auf ihn geschossen? Irgendetwas hatte im Schein der Straßenlaterne aufgeblitzt. Er glaubte, sich an ein Zischen zu erinnern.
    »Wer ist diese Eva? Noch eine Freundin?«
    David lachte bitter auf. »Freundin? Nein.« Er überlegte, was er sagen sollte, entschied sich für die Wahrheit, so peinlich sie auch war. Es war egal, inzwischen wussten es vermutlich sowieso schon alle. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Eva Urbanová. Eine Frau, mit der ich im Frühjahr eine Nacht verbracht habe. Danach habe ich nichts mehr von ihr gehört. Meine damalige Freundin hatte mich wegen eines neureichen Immobilienmaklers verlassen. Du weißt, wie das ist – gekränkte Eitelkeit, eine hübsche Frau, zu viel Alkohol …« Er verdrehte die Augen. »Egal. Ich war ein Esel.« Er erzählte Felix von Evas pikanter Wette mit dem Kollegen von der Sitte, von der er durch seinen Partner erfahren hatte. »Ich habe sie, wie gesagt, danach nicht wiedergesehen. Bis sie vor einiger Zeit anrief und mir sagte, sie sei schwanger und ich der Vater. Um die Sache kurz zu machen: Ich habe ihr Hilfe angeboten, sie lehnte ab, sie wollte das Kind nicht, aber für eine Abtreibung war es zu spät, der Geburtstermin ist Anfang Januar. – Wenn sie geschossen hat, kann sie nichts dafür, Felix, sie ist krank. Ich habe mit ihrem Arzt gesprochen – eine unheilbare Nervenkrankheit, die sie über kurz oder lang umbringen wird. Sie rief mich an dem Morgen an, wollte, dass ich mich von meiner Freundin trenne, von Magda. Ich habe das abgelehnt, sagte, es sei nie die Rede davon gewesen, ich würde ihr und dem Kind helfen, sie aber keinesfalls heiraten. Sie hat aufgelegt. Dann stand sie abends plötzlich auf dem Bürgersteig und – ja, ich glaube, sie hatte eine Waffe in der Hand … Sie hat geschossen … Sie braucht Hilfe, Felix.« Er seufzte. Was für eine blöde, vertrackte Geschichte.
    Felix nickte. »Ja, möglicherweise hat sie geschossen.«
    David starrte ihn perplex an. »Was heißt möglicherweise ?«
    »Hast du außer dieser Eva noch jemanden gesehen?«
    »Nur Magda, sie war schon im Haus …«, sagte David.
    »Nein, da muss noch jemand gewesen sein. Hast du noch jemanden gesehen?«
    »Noch jemanden?«, fragte David verwirrt. Er versuchte, sich zu erinnern. Der Bürgersteig um ihn herum war hell erleuchtet gewesen, der Schnee hatte im orangefarbenen Licht der Laterne geglitzert … er hatte Eva gesehen … Hinter ihr war alles in Dunkelheit getaucht, denn er selbst war im Zentrum des Lichtscheins gewesen. »Ich glaube nicht, es war dunkel, es ging alles zu schnell, ich war mit meinen Gedanken woanders …« Er hatte fieberhaft überlegt, mit welchen Worten er Magda von dieser überaus peinlichen Geschichte mit Eva erzählen sollte, hatte nicht auf seine Umgebung geachtet.
    »Ein Mann«, versuchte Felix nachzuhelfen, »hast du einen Mann dort irgendwo gesehen? Einen Typen ganz in Schwarz.«
    »Ein Mann in Schwarz? Im Dunkeln? Mach dich nicht lächerlich, Felix.« Da war niemand gewesen. Er sah Eva vor sich stehen, nur wenige Meter entfernt. Er hatte sich zu ihr umgedreht, irgendetwas zu ihr gesagt …

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