Reinen Herzens
Buchstaben: A, das stand für Prag. Ein weiter Weg. Sein Blick wanderte nachdenklich über den See zurück zum Ufer rechts von ihm. Stille und Ruhe überall – als wäre nichts geschehen. Ein lautes Krähen in seinem Rücken riss ihn jäh aus seinen düsteren Gedanken. Er wandte den Kopf. Zwischen den Bäumen sah er einen silbernen Schimmer, der rasch kleiner wurde und im nächsten Moment verschwunden war.
»So, du bist also zurückgekommen, alter Mann«, murmelte er, »und meine Beute hat mich versetzt … schlechtes Wetter für die Jagd nach Abschaum …« Er seufzte erleichtert. Vielleicht, dachte er, habe ich jetzt etwas, um diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Er wandte sich um und ging in Gedanken versunken durch den dichten schwarzen Wald heimwärts.
11
Jsou dva podvodníci povinni častovat se pravdou?
Sind zwei Betrüger einander zur Wahrheit verpflichtet?
Jirka Kratochvíl wählte eine Nummer und wartete ungeduldig auf das Freizeichen, während er mit einem Löffel am Rand seines Kaffeeglases klimperte. Es klingelte dreimal, dann meldete sich eine bekannte Stimme.
»Katz.«
» Nazdar Milan. Hier ist Jirka Kratochvíl.«
»Na so was – Jirka! Lang nichts mehr von dir gehört. Wie geht es dir? Glückwunsch zur Beförderung!«
»Danke. Alles bestens. Und bei dir? Was machen die Kinder?«
»Auch alles fein. Die Große geht aufs Gymnasium und die Kleine in die fünfte Klasse.«
»Ist nicht wahr – als wir uns zuletzt gesehen haben …« Er rechnete nach. »Verdammt, das ist ja schon eine Ewigkeit her.«
»Ja, die Zeit vergeht. Was brauchst du?«
Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als habe er aus alter Freundschaft angerufen. Das hatte er noch nie getan. Er kannte Milan Katz aus dem Studium. Sie waren Kommilitonen gewesen, Bekannte, nie Freunde. Vor allem aber waren sie Konkurrenten gewesen. Konkurrenten um die besten Noten, die prestigeträchtigsten Famulaturen, die bemerkenswerteste Promotion, die schönste Frau. Jirka hatte auf allen Gebieten gewonnen – außer dem letzten. Die schönste Frau hatte sich für Milan entschieden.
»Ich habe einen Obduktionsbericht von euch bekommen, von einem Doktor Benda. Ich möchte ihn gerne sprechen, aber ich habe ihn nicht im Telefonverzeichnis gefunden.«
»So, der Benda, ja. Tja, er ist leider nicht mehr hier. Was für eine Obduktion meinst du denn?«
»Ein Toter nach einer Schießerei in Holešovice, bei der Poliklinik. Letzte Woche.« Jirka nannte das Datum.
»Ah ja, dieser Obdachlose, den man auf der Straße gefunden hat – ich erinnere mich. Das ist längst erledigt. Die Leiche wurde abgeholt. Asche zu Asche. Was willst du denn damit?«
Jirka hatte das seltsame Gefühl, als würde sein alter Kommilitone mit ihm Katz und Maus spielen. Ein Spiel, das Jirka überhaupt nicht mochte. »Nein, kein Obdachloser. Der Typ, den ich meine, war Kriminalbeamter. David Anděl. Ich will einfach nur die Nummer von diesem Benda. Es gibt da ein paar offene Fragen. Nichts weiter.«
»Was hat das mit dir zu tun? Wir haben die Obduktion gemacht und die Ergebnisse an die Mordparta weitergeleitet.«
»Ich will diesen Benda sprechen, Milan.«
»Was für offene Fragen gibt es denn?«
»Das bespreche ich mit diesem Benda. Die Nummer, bitte.« Er hatte langsam genug von diesem Gespräch, obwohl er durchaus verstehen konnte, dass Milan Katz es nicht goutierte, wenn eine andere Dienststelle sich in die Arbeit seines Instituts einmischte.
»Die Nummer würde dir nichts nützen, mein Lieber, wie gesagt, Benda ist nicht mehr bei uns. Dieser Obdachlose war sein letzter Fall.«
»Und wohin ist er gegangen, dieser Benda? Er wird ja wohl irgendwo erreichbar sein.« Den Obdachlosen, den Katz wie einen falschen Fünfziger immer wieder ins Gespräch brachte, ignorierte er. Er war sich zunehmend sicher, dass die Sache gewaltig stank. Diese Widerspenstigkeit war mit fachlichem Gerangel nicht zu erklären.
»Ich glaube, er sagte etwas von einer Klinik in Irland. Tut mir leid.«
»So, in Irland. Hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen. Du weißt nicht zufällig, welche Klinik wo in Irland?«
»Tut mir leid, nein. Habe ich mir nicht gemerkt. Aber an der Obduktion dieses Obdachlosen war alles in Ordnung.«
»Verstehe. Vielen Dank für deine Hilfe, Milan.« Er legte auf und trank nachdenklich einen Schluck von seinem kalten Kaffee.
»Hast du mit Katz gesprochen?«
Jirka sah überrascht auf. Magda stand in der Tür und beobachtete ihn erwartungsvoll.
»Komm rein. Der gute
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