Reinen Herzens
losen Enden, über die man später stolpern könnte, Felix.« Der Anruf seines ehemaligen Studienkollegen bereitete ihm Sorgen, aber das brauchte er Felix nicht auf die Nase zu binden.
»Das hat Zeit«, erwiderte Felix, »vielleicht brauchen wir gar keine Beerdigung. Dr. Benda hat einen Totenschein ausgestellt und einen perfekten Obduktionsbericht verfasst, und das Krematorium hat vollendete Tatsachen geschaffen. Der Rest kann warten. Das Krematorium wird die Urne ja wohl kaum einfach so an irgendjemanden aushändigen.«
Der Arzt grinste. »Schon erstaunlich, wie leicht so was zu machen ist.«
Felix grinste auch und nickte. »Ja, und um weiteren Fragen vorzubeugen, ist Doktor Benda nach Irland abgereist. War keine schlechte Idee.«
»Was machen wir mit unserem Scheintoten?«
»Erst mal bringen wir ihn von hier weg«, erwiderte Felix. »Mal sehen, was er zu erzählen hat, wenn er aufwacht. Dann schauen wir weiter.«
Eine Stunde später wurde ein Jan Navrátil, begleitet von Dr. Benda, in einem kleinen Sanatorium nordwestlich von Prag eingeliefert und auf ein Einzelzimmer gebracht. Die Diagnose lautete auf Schussverletzung beim Reinigen einer Waffe. Benda blieb bei ihm und machte es sich auf einem Stuhl neben dem Krankenbett bequem. Als der Patient kurz darauf aufwachte, wollte er wissen, wo er war.
»Im Himmel«, sagte Felix und lachte, »da wo Engel hingehören. – Wie geht’s dir?«
David Anděl sah ihn aus halb geschlossenen Augenlidern verständnislos an. »Was ist passiert?«, fragte er langsam. »Was machst du hier?«
»Du wurdest vor deinem Haus angeschossen, in die Schulter«, sagte Felix, »alles in Ordnung, der behandelnde Arzt sagt, das wird wieder wie neu. War nur eine Fleischwunde. Dann hast du noch eine Platzwunde auf dem Jochbein, aber ein schönes Gesicht kann ja nichts entstellen. Und schließlich hast du noch ein paar leicht angeknackste Rippen und einen dicken Bluterguss auf der Brust. Das wird auch wieder. Wir haben dich vorsichtshalber ein paar Tage schlafen lassen.« Er ließ seinem Freund etwas Zeit, das Gesagte aufzunehmen, dann fragte er: »Was ist passiert, David?« Die Frage, was er hier mache, ignorierte er fürs Erste.
David runzelte die Stirn. Sein Kopf schmerzte, es fiel ihm schwer zu atmen und er fühlte sich durch die Verbände wie gefesselt. Er streckte sich ein bisschen und versuchte, sich zu orientieren. »Was heißt ein paar Tage?«, wollte er wissen.
»Eine knappe Woche. Ein ausgedehnter Heil- und Schönheitsschlaf. Du bist schon fast wie neu.«
»Eine Woche? Verdammt … Felix, wo ist Magda?«
»Es geht ihr gut. Jetzt sag mir erst mal, was passiert ist.«
»Ich habe Magda vom Flughafen abgeholt«, erwiderte er zögernd, »wir sind zu mir gefahren … Ich habe vor dem Haus geparkt, die Koffer ausgeladen … Magda ist ins Haus gegangen …« Abrupt versuchte er, sich aufzusetzen, ließ sich aber vor Schmerz wieder in das große weiße Kissen fallen. »Ist ihr etwas passiert? Ich will sie sehen …« Er war mit einem Schlag hellwach.
»Geht nicht, David. Tut mir leid«, erwiderte Felix, »es geht ihr gut, wie gesagt, keine Sorge.«
»Verschon mich mit diesen Floskeln, Felix! Wo ist sie?«, fragte David misstrauisch.
»Das, mein Lieber, ist eine lange Geschichte«, erwiderte Felix.
»Dann schieß los. – Was soll das alles, Felix? Und was, verdammt noch mal, hast du mit der ganzen Sache zu tun?« Er war hilflos und verwirrt. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich platzen, sein ganzer Körper schmerzte, und er machte sich vor allem Sorgen um Magda. Wo zum Teufel war er überhaupt? Was hatte Felix mit diesem Geschwafel über den Himmel gemeint? Fragen über Fragen. Keine Antworten. Er hatte nicht vor, sich damit zufriedenzugeben.
»Was passiert ist, ist ganz einfach: Jemand hat auf dich geschossen. Als ich bei deinem Haus ankam, lag deine Freundin über dir und war – wie du auch – bewusstlos. Ich habe sie ins Krankenhaus bringen lassen. Sie ist zwei Tage später entlassen worden …«
»Wieso war sie bewusstlos?«, unterbrach ihn David erschrocken und versuchte erneut, sich aufzurichten. Er schaffte es nicht. »Mach das Kopfteil hoch, verdammt«, verlangte er ebenso ungeduldig wie genervt. Er verstand überhaupt nichts mehr.
Felix tat ihm den Gefallen. »Darüber kann ich nur spekulieren. Sie hatte eine dicke Beule auf dem Hinterkopf. Und eine leichte Gehirnerschütterung. Ich nehme an, sie wurde niedergeschlagen.«
Das hört sich schlüssig an,
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