Reinen Herzens
Magdalena Axamit war, von Beruf forensische Pathologin. Das hatte Felix nicht eben glücklicher gemacht. Und dann war dieser Ermittler auf der Bildfläche erschienen. Er habe erfahren, dass eine Kollegin eingeliefert worden sei, er wolle zu ihr. Benda hatte mit ihm gesprochen. Der Mann hatte sich als Inspektor Otakar Nebeský vorgestellt und viele Fragen gestellt, auf die er nur wenige Antworten bekommen hatte. Woher er die Information über die Axamit hatte, hatte er stur für sich behalten. Felix vermutete, dass eine der Krankenschwestern oder ein Sanitäter dahintersteckte. Die Stadt war ein verdammtes Dorf. Gott sei Dank hatte er Anděl nicht mit einem Krankenwagen ins Hospital bringen lassen. Er hatte Nebeský gesagt, dass sein Partner David Anděl tot sei. Zu den Umständen des Todes hatte er sich ausgeschwiegen. Dann hatte er ihn zu der Frau gelassen, die gerade dabei war aufzuwachen. Er hatte Nebeský die Hiobsbotschaft überbringen lassen. Bevor Magdalena Axamit entlassen worden war, hatte er noch mit ihr gesprochen, aber nichts Wichtiges erfahren. Sie erinnerte sich an so gut wie nichts. Eine Freundin war dann gekommen und hatte sie nach Hause gebracht. Wenigstens die Presse ahnt noch nichts, hatte Felix Benda zufrieden gedacht.
Als er an jenem Abend vor knapp einer Woche vor Davids Haus die beiden Bewusstlosen auf dem Bürgersteig gefunden hatte, hatte sich herausgestellt, dass er gerade noch rechtzeitig gekommen war. Er hatte sich angesichts der Umstände für einen etwas ungewöhnlichen Plan entschieden und den Kommissar in den Wagen geladen. Dann hatte er seinen alten Freund Milan Katz angerufen, einen Chefarzt im Militärkrankenhaus. Felix war mit seinem verletzten Freund durch die Stadt zum Militärkrankenhaus gerast, und Milan Katz hatte einen Krankenwagen für die Frau geschickt. Er hatte selbstverständlich geholfen – nicht zum ersten Mal. Der Arzt konnte Geheimnisse für sich behalten, und er hatte keine Gewissensbisse, die Vorschriften für einen guten Zweck zurechtzubiegen. Kurz nach Felix war auch der Krankenwagen mit der Frau eingetroffen.
So weit, so gut, dachte Felix jetzt, aber was nun? Nachdenklich betrachtete er das Blatt Papier, das er in der Hand hielt. Sie bewegten sich inzwischen weit außerhalb der Legalität. Aber es war notwendig. Er hatte ein reines Gewissen – und den Rückhalt seines Chefs. In diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel, hatte dieser gesagt, als er von den roten Rosen erfahren hatte. Benda sah das genauso.
Die Tür ging auf, und Milan Katz kam herein. »Wie geht’s?«, fragte er und ging um das Bett herum, um seinem Patienten, der noch immer schlief, den Puls zu fühlen. Er sah eine Weile auf seine Armbanduhr, dann nickte er zufrieden. »Alles bestens. Das wird wieder wie neu. Er wird bald aufwachen«, sagte er und sah Felix erwartungsvoll an. »Und jetzt?«, fragte er.
»Jetzt«, sagte Felix, »brauchen wir einen Wagen, dann schaffen wir unseren Patienten in ein kleines, abgelegenes Sanatorium.« Er warf Katz einen fragenden Blick zu.
»Ich hole die Urne gleich ab. Übrigens – ein Kollege aus der Gerichtsmedizin in den Weinbergen hat eben bei mir angerufen. Er wollte dich gerne wegen der Obduktion sprechen.«
»Wieso?«, fragte Felix alarmiert. »Ich denke, du hast den Bericht wasserdicht formuliert.«
»Keine Bange, an dem ist nichts auszusetzen. Ich habe dem Kollegen gesagt, Dr. Benda sei nach Irland ausgewandert, und ich hätte keine Ahnung, wo man ihn erreichen könne. Wenn wir die Urne haben, ist alles gut.«
»Ich hoffe, du hast recht«, erwiderte Felix skeptisch.
»Was ist mit der Beerdigung?«, fragte der Arzt, der ein gründlicher und umsichtiger Mensch war.
»Die Beerdigung?«, fragte Felix irritiert. Darüber hatte er bei seinem Plan noch gar nicht nachgedacht. Einen Moment lang zweifelte er, ob seine Entscheidung eine gute gewesen war. Überall lose Enden, die man gewissenhaft aufsammeln musste. Er blieb trotzdem bei seinem Plan. Das war die Lebensversicherung für David. Wenn die Jungs mit den roten Rosen glaubten, sie hätten ihn erwischt, würden sie ihm nicht mehr nachstellen. Und vielleicht würden sie sogar anfangen, Fehler zu machen. Immerhin wusste er nun dank Skarlet, wo die vielen losen Fäden zusammenzulaufen schienen – ausgerechnet in der ehrenwerten Kanzlei von Čestmír Kafka. Erstaunlich, aber im Grunde wohl nicht wirklich überraschend, wenn man bedachte, mit was für Gestalten der Anwalt so zu tun hatte.
»Keine
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