Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
nickte nur. Doch dann kamen ihm auch ein paar Worte über die Lippen: „Wir müssen uns bei ihnen entschuldigen, Sir.“
Doch Bloomquvist winkte ab.
„Schöne Fahrt noch“, waren die letzten Worte des Soldaten. Dann lief er zurück zu dem Transpo rter.
Bloomquvist atmete auf.
Als der Soldat wieder in den Transporter gestiegen war, setzte der Fahrer den Wagen langsam in Bewegung.
„Also ein Mitarbeiter des Innenministeriums, ja?“, rätselte der Beifahrer nachdenklich.
„Die vom Ministerium für Inneres haben uns doch schon lange unter Beobachtung“, warf der Fahrer gähnend ein. Er war schon den ganzen Tag unterwegs und dies war seine letzte Fahrt vor dem Feierabend.
„Hast du ihn auch gefragt, was er hier im Lager will?“, fragte der Beifahrer nach hinten in den Transporter.
„Nein, habe ich nicht“, antwortete der Soldat, der ausgestiegen war. „Ich hielt es für keine gute Idee, mich mit ihm anzulegen.“
Der Beifahrer nickte. „Bei den aktuell aufg etauchten Vorwürfen von Misshandlung tun wir sicher gut daran, uns so gut es geht zurückzunehmen. Wir brauchen keine weitere Aufmerksamkeit.“
Der Fahrer des Transporters nickte zustimmend und gab etwas mehr Gas.
„Ich verstehe diese Vorwürfe nicht“, fuhr der Soldat weiter fort, „wir haben doch den Auftrag erhalten, die Armut zu bekämpfen und genau das tun wir und unsere Kollegen. Und jetzt will man uns daraus einen Strick drehen?“
„Du vergisst, wie dieser Befehl auf die breite Ö ffentlichkeit wirken muss“, erklärte der Beifahrer. „Sicher möchte man dieses Problem beseitigen, aber nicht in der Art, dass alle armen Menschen getötet werden.“
„Ja, man sucht eine politische Lösung“, mischte sich der Fahrer spöttisch ein. „Und Politiker sind nicht gerade bekannt für handfeste Lösungen.“
Die drei Männer lachten.
Auch Bloomquvist beschleunigte allmählich se inen Wagen und im Hintergrund sah er bereits die graue Mauer des Lagers. Ein riesiger Wall, sicher zwanzig Meter hoch, und auf dessen Spitze befand sich noch zusätzlich ein Lasergitter. Berührt man dieses, wird man dem Gitter gemäß zerschnitten. Die Mauer schien sich über den gesamten Horizont zu ziehen.
Bloomquvist hatte ein Internierungslager noch niemals von innen gesehen, denn normalen Me nschen war es so gut wie unmöglich, einen Insassen eines solchen Lagers zu besuchen. Aber er hatte, wie viele andere Menschen auch, die Gerüchte gehört. Die Folter, die Isolierung, die Misshandlungen durch das Personal. Diese Orte mussten die Hölle auf Erden sein.
Bloomquvist wünschte nicht einmal seinem ärg sten Feind eine solche Behandlung.
Maximilian hasste dieses Dröhnen eines he rkömmlichen Hubschraubers. Es machte ihn fast schon wahnsinnig. Ihm waren die Gleiter mit den leisen Turbinen viel lieber, aber leider verfügte das Internierungslager nur noch über einen einzigen und zudem veralteten Hubschrauber.
Gespannt überblickte er das weite Nichts. Denn zwischen den armen und reichen Regionen Eur opas gab es sogenannte grüne Streifen, in denen sich auch diese Lager befanden. Aber ansonsten gab es innerhalb dieser Streifen absolut nichts. Keine Städte, keine Dörfer, nicht einmal ein paar einzelne Häuser waren zu sehen.
Stellte man sich Europa vor, so würde Mittel- und Nordeuropa ausschließlich von den reichen Bürgern bewohnt werden, während beispielsweise Großbritannien, Spanien, Italien und Griechenland allesamt arme Regionen waren. Man wählte vor allem solche Regionen, die sich leicht abgrenzen und überwachen ließen. Von den Britischen Inseln kam man nicht ohne Boot herunter, aus Italien kam man nicht heraus, ohne die Alpen zu überqueren, die allerdings extrem überwacht wurden. Auch aus Spanien oder Griechenland kam man nicht heraus.
Maximilian war auf dem Weg zu seiner Tochter. Er wollte dieses Bastardkind mit eigenen Augen sehen. Das Gesicht ihrer Mutter hatte er noch sehr gut im Kopf und er bereute es nicht, sie getötet zu haben.
Maximilian musste alle Spuren seiner kleinen Liebschaft auslöschen.
Er hatte sich in eine Paradeuniform geworfen, denn er liebte es, gute und vor allem teuer auss ehende Kleider zu tragen. Außerdem hatte dieser Besuch in dem Internierungslager fast schon einen offiziellen Charakter.
„Wir werden in wenigen Minuten ankommen“, schallte die Stimme des Piloten aus Maximilians Kopfhörern. Doch der Innenminister hob nur einen Daumen, um zu zeigen,
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