Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
gleichzeitig fragte er sich auch, warum sie Serah dort hinbringen wollten. War sie etwa eine Täterin? War sie böse?
„Los, du musst aufstehen! Wir müssen dieses Lager finden oder willst du, dass sie dem Mädchen etwas antun?“
Augenblicklich löste sich die Starre des Arztes, er stand auf und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er wirkte zwar wie ein Roboter, aber wenigstens funktionierte er wieder. „Ich werde nach solchen Lagern in unserer Nähe suchen.“
Bloomquvist nickte zufrieden.
Meine Beine fühlten sich furchtbar an und ich glaube, sie waren auch wund gescheuert. Als ich so langsam wieder zu mir kam, spürte ich etwas Gla ttes, das zugleich auch kalt war, in meinem Rücken.
Nur langsam passten sich meine Augen wieder an das Licht an und hier war es besonders grell. Recht schnell wurde mir klar, dass etwas passiert sein muss.
Ich hörte das Gelächter einiger Männer, konnte es aber nicht Wort für Wort verstehen.
Ich sah eine silberne Wand, keine Fenster, nur silbernes, glänzendes Metall. Und vier Männer, die ihrer Uniform nach zu schließen, Soldaten waren.
„Wo bringt ihr mich hin?“, fragte ich eher unwillkürlich und ohne großes Nachdenken.
Das Gelächter verstummte und ich erahnte, denn ich konnte noch nicht richtig scharf sehen, dass sie mich alle ansahen.
„In ein Lager, in dem du mehr als sicher sein wirst“, spottete einer von ihnen.
Brachten sie mich etwa wieder in das Getto zurück? War der Plan gescheitert?
„Ihre Festnahme war wirklich leicht“, spottete eine andere Stimme und alle anderen begannen , darüber zu lachen.
Ich kann mich kaum noch daran erinnern, außer dass ich bei diesem Arzt war und dann habe ich plötzlich das Bewusstsein verloren. Hat er mich etwa doch verraten?
„Was wollt ihr denn von mir?“
„Wir wollen von dir nichts, aber unser Chef möchte scheinbar etwas. Aber wir wissen nicht, was. Wir sollten dich nur holen.“
Ich musste scharf überlegen. Wer war der Chef der Soldaten? Die Regierung? Ein bestimmtes Ministerium der Regierung?
„Wer ist euer Chef?“
„Das Innenministerium. Ihr Leute aus dem Getto seid wirklich ziemlich dumm, was?“
Und wieder lachten alle.
Wenn es das Innenministerium war, dann ging es vermutlich wirklich darum, dass ich mein Getto unerlaubt verlassen habe.
Bloomquvist lief in dem kleinen Büro Auf und Ab. Er fand einfach keine Ruhe.
Bis der Arzt plötzlich quiekte. „Ich hab hier was!“
Er drehte den Bildschirm seines Rechners zu Bloomquvist herum, der gespannt auf diesen starrte.
Eine große Karte Mitteleuropas war zu sehen. Ein roter Punkt markierte den Standpunkt der Station, in der sie sich noch befanden und ein zweiter Punkt in gelber Farbe schien den Standort des Lagers zu markieren.
„Das muss es sein. Laut den Datenbanken ist es das nächste Lager zu unserer Station.“
Bloomquvist nickte zufrieden. „Möchtest du mich begleiten? Ich werde dieses Mädchen von dort befreien.“
Der Arzt jedoch sah ihn fragend an. „Das schaffst du niemals! Diese Lager sind extrem gut gesichert, viele Soldaten, die nicht einmal davor zurückschrecken, auf Zivilisten zu schießen. Da wirst du niemals reinkommen!“
Doch Bloomquvist konnte darüber nur den Kopf schütteln. „Ist dir nicht meine Uniform aufgefa llen?“
Der Arzt sah an Bloomquvist herunter. Er trug die Uniform eines ranghohen Beamten des Innenm inisteriums. „Wie?“
„Ich habe mir seine Identität geliehen.“ Bloo mquvist grinste.
„Und du meinst, dass sie dich damit durchla ssen?“
„Soweit wir wissen, unterstehen diese Lager d irekt dem Innenministerium, also ist es wohl logisch, dass sie einen Beamten dieses Ministeriums vor lassen werden.“
Der Arzt nickte abwesend. „Ich werde hier ble iben und die Stellung halten.“
„Aber ich kann mit deiner Hilfe rechnen? Ich weiß nicht, was sie dem Mädchen antun werden, aber vielleicht benötigen wir medizinische Hilfe und du bist einer der wenigen Ärzte, denen ich noch vertraue.“
„Natürlich kannst du mit meiner Hilfe rechnen.“ Der Arzt stand von seinem Stuhl auf und streckte seine Hand in Bloomquvists Richtung aus.
Er ergriff die Hand und drückte sie fest.
„Viel Glück bei deiner Mission!“
„In letzter Zeit erreichen uns immer mehr Nac hrichten aus den armen und reichen Regionen Europas. Hunderte Menschen gehen auf die Straße, aber dieses Problem war bislang fast schon normal in den armen Regionen. Neu ist, dass
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