Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
es solche Menschen gibt, warum wird das System dann nicht gestoppt?“
Der Arzt zuckte mit den Achseln. Er wusste es offenbar selbst nicht. „Wir können nur versuchen, es zu ändern.“
Ein lautes Klopfen.
„Wärst du so gut und öffnest die Tür, Serah?“
Ich stand direkt neben der Tür und der Arzt schenkte mir erneut dieses freundliche Lächeln.
Langsam drückte ich die Türklinke zum Boden. Die Tür war kaum einen Spalt offen, da stieß jemand die Tür auf und ich flog zurück. Mein Kopf prallte gegen den Schreibtisch des Arztes und ich verlor mein Bewusstsein.
„Auf den Boden, sofort!“, schrie der Soldat, der mit vorgehaltenem Gewehr in das kleine Büro des Arztes eindrang.
Augenblicklich hob dieser seine Arme hoch. Sein Gesicht war kreidebleich.
„Sie sollen sich auf den Boden legen!“, befahl der Soldat erneut in einem harschen Ton. Doch der Arzt schien paralysiert zu sein.
Auch Bloomquvist hatte den Ort des Geschehens mittlerweile gefunden. Drei Soldaten standen vor der Tür und einer stand im Türrahmen.
Plötzlich stürmte der Soldat im Rahmen vor. Er lief direkt auf den Arzt zu, senkte sein Gewehr dabei aber. Der Soldat drückte den Mann nach unten. „So ist es gut.“
Der Arzt war so geschockt, dass er nicht mehr richtig reagieren konnte. Er ließ einfach alles geschehen.
Zwei der drei Soldaten, die noch vor der Tür standen, liefen nun auch hinein und sicherten den Raum, während der dritte Mann Serah in Gewah rsam nahm.
Wie eine Leiche oder einen Sack Kartoffeln schliff er sie über den Boden.
Bloomquvist traute seinen Augen nicht.
In seinem Inneren fand ein Kampf statt. Sollte er eingreifen und dem Mädchen helfen? Allerdings hätte er wohl kaum eine Chance gegen ausgebild ete Soldaten. Darüber hinaus trugen sie auch noch schwere Waffen bei sich.
Die Soldaten hingegen zerrten den bewusstlosen Körper weiter durch die Station. Die umstehenden Reisenden ließen sich davon nicht sonderlich st ören.
„Da haben sie wohl wieder einen Flüchtling g efasst“, bemerkte ein Mann, der schnellstmöglich mit seinem Gepäck an den beiden Soldaten vorüberzog.
Bloomquvist verblieb einen Moment am Ort und wartete darauf, dass sich alle Soldaten entfernten. Er musste mit dem Arzt sprechen.
Ein leises Piepen hallte durch Maximilians Büro. Er betätigte einen Schalter auf seinem Schreibtisch. „Ja?“ Er klang nicht gut gelaunt.
„Sir, entschuldigen sie die Störung, aber wir h aben das Mädchen mit dem Namen Serah gefasst. Sie wird gerade von der Station abtransportiert.“
Die Augen des Innenministers weiteten sich. „Hat sie sich gewehrt?“
„Nein, sie wurde bewusstlos aufgefunden.“
„Gab es Zeugen, die ihre Festnahme gesehen h aben?“
„Einen Notarzt, aber der war so paralysiert, dass er sich an nichts erinnern können wird.“
Maximilian lächelte, und nickte. „Wo wird man sie hinbringen?“
„Laut ihren eigenen Anweisungen, Sir, zu einem Internierungscamp.“
„Gut.“
Vorsichtig näherte sich Bloomquvist dem Büro des Notarztes. Er musste sichergehen, dass hier kein weiterer Soldat war.
Als er um die Ecke und in den Raum hinein sah, saß der noch immer paralysierte Notarzt auf dem Boden, die Hände nach wie vor hinter seinem R ücken. Sein Blick war leer und er starrte unentwegt nach draußen, aber er schien Bloomquvist nicht zu bemerken.
„Was ist geschehen?“, fragte Bloomquvist, als er langsam in den Raum eintrat.
Doch der Arzt starrte nur.
Zögerlich näherte sich Serahs ehemaliger Begle iter dem Arzt. Er blieb direkt vor ihm stehen und blickte auf den Arzt herab.
„Sie haben sie mitgenommen. Und ich konnte absolut nichts tun.“
„Wenn du nur auf dem Boden sitzt und abwartest, ist es kein Wunder, dass du nichts tun konntest“, spottete Bloomquvist locker. Doch er wusste, wie schwer es war, der Staatsmacht zu widerstehen. „Weißt du, wo sie sie hingebracht haben?“
Der Arzt schluckte. „Einer der Soldaten sprach von einem Internierungslager hier in der Nähe.“
Bloomquvist lief ein kalter Schauer über den Rücken. Schon wenn er dieses Wort hörte, wurde ihm regelrecht schlecht.
Internierungslager waren normalerweise für schwere Straftäter gedacht. In aller Regel befa nden sich diese Lager weit außerhalb von Städten, denn man wollte die dort Einsitzenden isolieren. Sie hatten kein Recht auf irgendwelche Kontakte, keine Menschenrechte und all dies war politisch abgesegnet.
Doch
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