Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
und spottenden Männern geweckt.
Bis dann, am frühen Morgen oder zumindest glaubte er, dass es der frühe Morgen war, auch seine Tür aufsprang.
Bloomquvist kauerte sich auf seinem Bett zusammen und tat so, als würde er noch schlafen, doch er hatte mit seinen Augenlidern enge Schlitze geformt.
Die Person, die in den Raum eintrat, wurde nur von hinten durch das grelle Licht im Korridor b eleuchtet. Aber schon dieses Licht reichte aus, um Bloomquvist zu zeigen, dass er sich nicht in einem Internierungslager befand. Der Mann trug die Uniform eines Pflegers. Und so langsam wurde ihm bewusst, warum hier so viele scheinbar verrückte Menschen waren.
Der vermeintliche Pfleger stellte ein neues Ta blett samt Teller auf den Boden. Kopfschüttelnd hob er das Alte hoch. „Undankbarer Kerl“, sagte er leise.
Als er sich wieder erhob, sah er noch einmal zu dem Teller hin und spuckte hinein.
Bloomquvist zuckte zusammen. Und er war froh, dass er nichts von dem Brei gegessen hatte. Wenn die Pfleger hier schon ins Essen spucken, wollte er nicht wissen, was sie sonst noch taten.
Bemüht leise verließ er das Zimmer wieder.
Bloomquvist entspannte sich wieder. Er atmete vorsichtig aus.
Warum wurde er hierher gebracht?
Hielten sie ihn wirklich für verrückt? Oder war dies nur eine Maßnahme, um seinen Willen zu brechen? Sicher wollten sie seine Person diskreditieren.
Er sah sich schon auf einer dieser widerlichen P araden, wenn er ganz vorn in der Kolonne wie ein wildes Tier tanzen musste.
„Wir schalten nun live zu einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten der Europäischen Union“, verkündete der Nachrichtensprecher frenetisch, als konnte er es gar nicht erwarten.
Maximilian stand hinter einem Pult. Immer wieder blitzten die grellen Lichter der Kameras auf. Er bemühte sich um ein lockeres Lächeln, aber in seinem Kopf verhörte er Bloomquvist bereits.
„Ich danke ihnen für ihr zahlreiches Erscheinen“, begann er mit entschlossener Stimme. „Ab dem heutigen Tage und ich weiß, dass dies deutlich früher ist, als es ursprünglich geplant war, gilt die Pflicht für die neuen ID-Chips. Jeder Bürger sollte sich nun innerhalb der nächsten drei Monate zu seinem Hausarzt begeben und sich dort den Chip einsetzen lassen.“
Augenblicklich fing ein Gemurmel an. Die anwesenden Journalisten hatten logischerweise Fragen.
Die Einführung dieses Chips war nicht ganz u nkompliziert. Es gab im Vorfeld viele Proteste und man fürchtete die totale Überwachung in Echtzeit.
„Ja, der Journalist in der ersten Reihe“, sagte Maximilian, während er auf die betreffende Person zeigte.
„Wieso kommt dieser Entschluss so plötzlich? Hat es womöglich etwas mit den zunehmenden Aufständen in der Union zu tun?“
Eine scharfe Frage, auf die eine belastende Stille folgte. Selbst die Geräusche der fotografierenden Kameras verstummten.
„Ganz und gar nicht“, schnitt Maximilians Stimme durch die Ruhe. „Die Kommission hat diese Entscheidung sorgfältig geprüft. Natürlich haben sie mit ihrer Frage insoweit Recht, dass wir die Aufstände fürchten. Wir fürchten aber nicht den Verlust unserer Macht. Sowohl das Parlament als auch die Kommission haben lediglich den Schutz der Bevölkerung im Sinne. In letzter Zeit konnten wir oft genug derartige Aufstände in anderen Ländern beobachten und die meisten dieser Rebellionen führten zu grauenhaften, kriegsähnlichen Zuständen. Das gilt es zu vermeiden.“
Ohne einen weiteren Kommentar nahm der Journalist wieder Platz. Ihm schien diese Antwort bereits zu genügen. Und gleichzeitig verstummte auch das Murmeln.
Maximilian nickte grinsend.
Das Bild ging ein Stück zurück und der Nachric htensprecher war erneut zu sehen. „Diese Worte des Präsidenten dürften einige Kritiker entkräftet haben.“
Nur wenige Sekunden später hörte man einen lauten Knall und die Kamera schien zu Boden zu fallen. Man sah lediglich wild durcheinander la ufende Füße. Hin und wieder hörte man aufgeregte Stimmen, aber was sie sagten, war unmöglich zu erhören.
Der Nachrichtensprecher sah nur entsetzt in die Kamera. Ihm fehlten die Worte.
Auch ich saß mit offenem Mund vor dem Fernseher.
Sam hatte mich zu einer anderen Familie g ebracht. Sie waren nett, aber ich fühlte mich dennoch etwas fremd bei ihnen. Sam selbst kam nur hin und wieder zu Besuch. Die meiste Zeit des Tages war sie damit beschäftigt, zu arbeiten und am Abend recherchierte sie nach dem
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