Reise durch die Sonnenwelt
aufzufinden, etwas von ihrer Route entfernten, machten sie einen ganz unerwarteten Fund.
Es war am 21. Februar acht Uhr Morgens, als einer der Matrosen, der am Vordertheile der Goëlette die Wache hatte, plötzlich ausrief:
»Eine Flasche im Meer!«
Diese Flasche konnte möglicher Weise ein werthvolles, auf den dermaligen Zustand der Dinge bezügliches Document enthalten.
Auf den Ruf des Matrosen waren Graf Timascheff, Hector Servadac, der Lieutenant und Alle nach dem Vordertheile geeilt. Die Goëlette manövrirte so, daß sie sich dem bezeichneten Gegenstande näherte, der denn auch bald aufgefischt und an Bord gehißt wurde.
Es war keine Flasche, sondern ein Leder-Etui, von der Art, wie man sie zur Aufbewahrung mittelgroßer Fernrohre zu benutzen pflegt. Der Deckeltheil zeigte sich sorgfältig mit Wachs verkittet, und wenn das Etui erst vor kurzer Zeit ausgeworfen war, so hatte das Wasser aller Wahrscheinlichkeit nach nicht hineindringen können.
Lieutenant Prokop musterte in Gegenwart des Grafen Timascheff und des Stabsofficiers aufmerksam das Etui. Kein Fabrikzeichen deutete auf seinen Ursprung. Das Wachs, mit dem es verschlossen war, zeigte sich unversehrt und hatte auch noch einen Petschaftabdruck deutlich bewahrt, auf dem man die Buchstaben
P. R
. erkannte. Der Behälter ward geöffnet und der Lieutenant zog aus ihm ein vom Wasser noch vollkommen verschontes Papier hervor, nur ein einfaches viereckiges Blättchen, das offenbar aus einem Notizbuche gerissen war und auf dem sich in großer, verkehrt geneigter Schrift, folgende mit Frage-und Ausrufungszeichen reich versehenen Worte fanden:
»
Gallia???
Ab sole, au
15
févr., dist.:
59,000.000
l.!
Chemin parcouru de janv. au févr.:
82,000.000 l.
Va bene! All right! Parfait!!!
«
Auf den Ruf des Matrosen waren Alle nach dem Vordertheile geeilt. (S. 135.)
(Deutsch: »Gallia???
Von der Sonne, am 15. Febr., Ents.:
35,400.000 Meilen!
Durchlaufener Weg vom Januar bis Februar:
49,200.000 M.
Geht gut! Ganz wohl! Vortrefflich!!!)
Was soll das bedeuten? fragte Graf Timascheff, als er das Blatt nach allen Seiten gewendet hatte.
Es war nur ein einfaches, viereckiges Blättchen. (S. 135.)
– Ich weiß es nicht, erwiderte Kapitän Servadac; nur Eines ist sicher, daß der Verfasser dieses Documentes, wer es auch immer sei, am 15. Februar noch lebte, denn das Schriftstück trägt dieses Datum.
– Unzweifelhaft!« stimmte Graf Timascheff zu.
Das Document selbst war nicht unterzeichnet. Nichts deutete auf seinen Ursprungsort. Es fanden sich darin lateinische, italienische, englische und französische Worte, letztere in überwiegender Anzahl.
»Eine Mystification kann das nicht wohl sein, meinte Kapitän Servadac. Es liegt auf der Hand, daß dieses Document auf die neue kosmographische Ordnung Bezug nimmt, deren Folgen auch wir empfinden. Das Etui, in dem es sich befand, gehörte irgend einem Beobachter an Bord eines Schiffes …
– Nein, Kapitän, fiel ihm Lieutenant Prokop in’s Wort, dann hätte es Jener in eine Flasche verschlossen, in der es besser als in dem Lederfutteral vor der Feuchtigkeit geschützt war. Ich glaube vielmehr, irgend ein Gelehrter, der allein auf einem verschonten Punkte einer Küste übrig geblieben ist, hat, um die Resultate seiner Beobachtungen bekannt zu geben, dazu diesen Behälter benutzt, der ihm augenblicklich vielleicht minder werthvoll erschien, als seine Flasche.
– Am Ende kommt darauf wenig an, sagte Graf Timascheff. Jetzt scheint es mir nutzbringender, den Inhalt dieses sonderbaren Documentes zu enträthseln, als sich über dessen Urheber den Kopf zu zerbrechen. Wir wollen es Wort für Wort vornehmen. Also zuerst, was bedeutet dieses Gallia?
– Ich kenne keinen größeren oder kleineren Planeten, der diesen Namen führte, bemerkte Kapitän Servadac.
– Kapitän, begann da der Lieutenant Prokop, erlauben Sie, bevor wir weiter gehen, eine Frage an Sie zu stellen.
– Mit Vergnügen.
– Sind Sie nicht der Meinung, daß gerade dieses Document meine letztere Hypothese zu unterstützen scheint, nach welcher ein Fragment der Erdkugel in den Weltraum hinausgeschleudert wäre?
– Ja … vielleicht … antwortete Hector Servadac … obwohl der Einwurf bezüglich der sonderbaren Grundstoffe, aus der das Innere unseres Asteroïden gebildet ist, noch immer fortbesteht.
– In diesem Falle, fügte Graf Timascheff hinzu, hätte jener Gelehrte dem neuen Gestirn also den Namen ›Gallia‹
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