Reise durch die Sonnenwelt
diese Schwierigkeit beseitigt.
– Was die letzten Worte des Documentes betrifft, fuhr Graf Timascheff fort, ›
Va bene! All right! Parfait!!!
‹ so bedeuten sie wohl gar nichts …
– Außer, daß der Verfasser, fiel Hector Servadac ein, damit hat ausdrücken wollen, wie entzückt er von dem neuen Zustande der Dinge sei, und daß er Alles wunderschön in dieser schönsten der Welten finde.«
Sechzehntes Capitel.
In dem man sehen wird, wie Kapitän Servadac Alles in seiner Hand hält, was von einem großen Continente übrig blieb.
Nachdem die Dobryna das gewaltige Vorgebirge, welches ihr den Weg nach Norden sperrte, umschifft hatte, steuerte sie nach der Gegend, wo sich das Cap von Creus befinden mußte.
Fast Tag und Nacht sprachen die Reisenden von den außergewöhnlichen Umständen, in denen sie sich jetzt befanden. Der Name Gallia wiederholte sich bei ihren Unterhaltungen so häufig und unbewußt, daß er für sie allmälig den Werth eines geographischen Namens bekam, nämlich den des Asteroïden, der sie durch die Sonnenwelt entführte.
Trotzdem vergaßen sie niemals, daß ihnen die jetzt unabweisbare Aufgabe oblag, das neue Küstengebiet des Mittelmeeres zu erforschen. So folgte denn die Goëlette immer so nahe als möglich den neuen Grenzen dieses, wie es schien, einzigen Meeres der Gallia.
Die obere, also nördliche Küste jenes Vorgebirges, berührte die Stelle, welche an der iberischen Küste früher Barcelona einnahm; die Küste selbst war aber sammt jener bedeutenden Stadt verschwunden und lag jedenfalls unter den Fluthen begraben, welche unweit davon gegen das steile Ufer brandeten. Letzteres verlief von hier aus nach Nordosten und erreichte, genau an dem Punkte des Cap von Creus, wieder das frühere Meeresbassin.
Von diesem Cap von Creus war nichts mehr vorhanden.
Dicht an dieser Stelle begann die französische Grenze, und man wird sich leicht eine Vorstellung von Kapitän Servadac’s Gefühlen machen können, als er hier einen neuen Boden an der Stelle desjenigen seines Vaterlandes getreten sah. Noch vor der französischen Küste erhob sich eine unübersteigliche Wand, welche jeden Fernblick abschnitt. Steil wie eine lothrechte Mauer, gegen tausend Fuß hoch, nirgends eine ersteigbare Fläche bietend, ebenso öde, zerklüftet und »neu«, wie man sie schon am anderen Ende des Mittelmeeres angetroffen hatte, verlief dieses Küstengebirge längs derselben Parallele, welche sonst die reizenden Ufer des südlichen Frankreich einnahmen.
So nahe am Lande sich die Goëlette auch hielt, nichts von dem Küstengebiete des früheren Departements der östlichen Pyrenäen kam ihr zu Gesicht, weder Cap Bearn, noch Port-Vendres, weder die Mündung des Tech, noch die Lagune von St. Nazaire, so wenig, wie der Ausfluß des Tet oder die Lagune von Salces. An der Grenze des früher von Weihern und Inseln so pittoresk durchbrochenen Departements der Aude fand sich vom Arrondissement der Narbonne auch nicht ein Ueberbleibsel. Vom Cap d’Agde, an der Grenze des Departements Herault, bis zum Golf von Aigues-Mortes fand sich keine Spur, weder von Cette oder Frontignan, noch von jenem von den Wellen des Mittelmeeres umspülten Bogen des Arrondissements Nîmes, weder von den Kieselfeldern von Crau oder Camargue, noch von dem vielverzweigten Delta der Rhône-Mündungen. Martigues, verschwunden! Marseille, verschlungen! Man mußte fürchten, von dem europäischen Continent kein Stückchen Land mehr anzutreffen, das einst den Namen Frankreich getragen hatte.
Obwohl Hector Servadac sich schon auf Alles vorbereitet hatte, so stand er doch erstarrt der traurigen Wirklichkeit gegenüber. Er sah keine Spur mehr von den Ufern, die ihm von früher her so genau bekannt waren. Manchmal, wenn sich die Küstenwand leicht nach Norden wendete, hoffte er ein Restchen französischen Bodens zu sehen, der der Zerstörung entgangen wäre. Doch wenn sich eine solche Bucht auch weit hinein erstreckte, so zeigte sich doch nichts, was dem prächtigen Ufer der Provence angehört hätte. Wo das neue Ufer nicht mit der alten Meeresgrenze zusammenfiel, da überflutheten das Land die Wogen des veränderten Mittelmeeres, so daß Hector Servadac sich die Frage stellte, ob der einzige Ueberrest seines Vaterlandes nicht jener Fetzen des Gebietes von Algier sei, jene Insel Gourbi, nach welcher er werde zurückkehren müssen!
»Und doch, äußerte er wiederholt gegen Graf Timascheff, endet der Continent der Gallia nicht mit dieser unnahbaren Küste.
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