Reise durch die Sonnenwelt
gegeben.
– Das scheint demnach ein französischer Gelehrter gewesen zu sein? bemerkte Lieutenant Prokop.
– Man könnte es glauben, bestätigte Kapitän Servadac. Beachten Sie, daß unter den achtzehn Worten des Documentes sich elf französische Worte befinden gegenüber drei lateinischen, zwei italienischen und zwei englischen. Es deutet diese Mischung auch darauf hin, daß besagter Gelehrter, in der Ungewißheit darüber, in welche Hände sein Document fallen werde, einzelne Worte verschiedener Sprachen verwendete, um desto sicherer verstanden zu werden.
– Gut, wir nehmen also an, Gallia sei der Name des neuen Asteroïden, der um die Sonne kreist, sagte Graf Timascheff, und gehen nun weiter zu den Worten: ›Von der Sonne, Entfernung am 15. Februar, fünfunddreißig und vier Zehntel Millionen Meilen.‹
– Das entspricht offenbar der Entfernung, erklärte Lieutenant Prokop, welche die Gallia von der Sonne trennte, als sie die Bahn des Mars durchschnitt.
– Gut, antwortete Graf Timascheff, das wäre also ein erster Punkt des Documentes, der mit unseren Beobachtungen übereinstimmt.
– Ganz genau, bekräftigte Lieutenant Prokop.
– ›Durchlaufener Weg vom Januar bis Februar,‹ fuhr Graf Timascheff lesend fort, ›neunundvierzig und zwei Zehntel Millionen Meilen.‹
– Es bezieht sich diese Angabe, sagte Hector Servadac, offenbar auf die von der Gallia in ihrer neuen Bahn durchmessene Strecke.
– Ganz gewiß, stimmte ihm Lieutenant Prokop bei, und zwar mußte die Umlaufsgeschwindigkeit, entsprechend den Keppler’schen Gesetzen, oder, was auf dasselbe hinauskommt, der in gleichen Zeiträumen durchlaufene Weg progressiv kleiner werden. Die höchste von uns beobachtete Temperatur fiel mit dem 15. Januar zusammen. Höchst wahrscheinlich befand sich die Gallia zu der Zeit in ihrem Perihel, d.h. in der geringsten Entfernung von der Sonne, und bewegte sich damals mit einer doppelten Geschwindigkeit gegenüber der der Erde, welche nur siebzehn Tausend zweihundertachtzig Meilen in der Stunde erreicht.
– Das klingt Alles sehr schön, ließ sich Kapitän Servadac vernehmen, leider verräth es uns nur nicht, bis zu welcher Entfernung von der Sonne sich die Gallia in ihrem Aphel bewegen wird, und was wir von der Zukunft zu hoffen oder zu fürchten haben.
– Nein, Kapitän, antwortete Lieutenant Prokop; doch mittels genauer Beobachtungen auf verschiedenen Punkten der Gallia-Bahn müssen wir mit Hilfe der allgemein giltigen Gravitationsgesetze dahin gelangen, die Elemente dieser Bahn zu bestimmen …
– Und folglich, fiel Kapitän Servadac ein, den Weg, den die Gallia in dem Sonnensysteme einhalten wird.
– In der That, äußerte sich Graf Timascheff, wenn die. Gallia ein Asteroïd ist, so unterliegt sie, wie alle beweglichen Körper, den Gesetzen der Mechanik, und die Sonne bestimmt ihre Bahn ebenso wie die der Planeten. Von dem Augenblicke an, als sich dieses Fragment von der Erde löste, fesselten es auch die unsichtbaren Ketten der allgemeinen Anziehungskraft und bestimmten genau seine spätere Flugbahn.
– Wenigstens so lange, setzte Lieutenant Prokop hinzu, als nicht später vielleicht ein anderer Himmelskörper störend in diese Bahn eingreift. Im Vergleich mit den übrigen Körpern des Himmelssystems ist die Gallia nur winzig klein, und die anderen Planeten könnten leicht einen merkbaren Einfluß darauf ausüben.
– Jedenfalls, meinte Kapitän Servadac, könnte die Gallia leicht einem unangenehmen Zusammenstoß ausgesetzt sein und dadurch von dem rechten Wege abweichen. Uebrigens, meine Herren, bedenken Sie, daß wir hier sprechen, als wären wir erwiesenermaßen Bewohner dieser Gallia. Wer beweist uns denn aber, daß diese Gallia nicht etwa der hundertsiebzigste, neuentdeckte kleine Planet ist?
– Nein, nein, erwiderte Lieutenant Prokop, davon kann nicht die Rede sein. Die teleskopischen Planeten bewegen sich alle nur in einer schmalen, zwischen der Bahn des Mars und des Jupiters belegenen Zone. Sie nähern sich in Folge dessen der Sonne niemals so sehr, wie die Gallia zur Zeit ihres Perihels. Diese Thatsache kann nicht angezweifelt werden, da das Document mit unseren eigenen Hypothesen hierin vollständig übereinstimmt.
– Leider fehlen uns, sagte Graf Timascheff, die zu jenen astronomischen Beobachtungen nothwendigen Instrumente, so daß wir die Bahnelemente unseres Asteroïden zu berechnen außer Stande sind.
– Wer weiß, meinte Hector Servadac, zuletzt wird vielleicht auch
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