Reise durch die Sonnenwelt
und Gut.
– Ihr wollt nicht? Nun wohl, so schaffen wir die Hansa wider Euren Willen und ohne Euch nach einer sicheren Stelle.
– Wider meinen Willen, Herr Gouverneur?
– Gewiß, denn ich kann nicht zugeben, daß diese ganze kostbare Ladung durch Eure kurzsichtige Halsstarrigkeit zu Grunde gehe, ohne irgend Jemanden zu nützen.
– Das ist mein Untergang!
– Er war es noch sicherer, wenn wir Euch gewähren ließen, antwortete Hector Servadac achselzuckend, und nun geht meinetwegen zum Teufel!«
Isaak Hakhabut kehrte nach seiner Tartane zurück, streckte die Arme gen Himmel und protestirte heulend gegen die unglaubliche Habgier der »schlechten Menschen«.
Am 20. März erreichten die letzten Arbeiten auf der Insel Gourbi ihr Ende. Man brauchte nur noch abzureisen. Das Thermometer war allmälig auf acht Grad unter Null gesunken. In der Cisterne verblieb kein Tropfen flüssigen Wassers mehr. Es ward demnach beschlossen, daß sich am folgenden Tage Alle auf der Dobryna einschiffen und die Insel verlassen sollten, um im Nina-Bau eine Zuflucht zu suchen. Ebenso kam man überein, die Tartane, trotz der wiederholten Proteste ihres Eigenthümers, dahin überzuführen. Lieutenant Prokop hatte ausdrücklich erklärt, die Hansa werde bei weiterem Verweilen im Hafen des Cheliff dem Drucke des Eises hinreichenden Widerstand nicht bieten können und folglich zu Grunde gehen. In jener Bucht von Warm-Land werde sie besser geschützt liegen und jedenfalls, selbst wenn ihr der Untergang drohe, werde man mindestens ihre Ladung zu bergen im Stande sein.
Bald nachdem die Goëlette also die Anker gelichtet, bewegte sich auch die Hansa trotz der Wehklagen und Proteste Isaak Hakhabut’s vorwärts. Bier russische Matrosen nahmen auf dem Schiffe Platz, das nach Entfaltung seines Großmarssegels, »ein schwimmender Kramladen«, wie Ben-Zouf sagte, sich nach Süden wandte.
Die fortwährenden Schimpfereien des Juden während der Ueberfahrt, seine ewige Wiederholung, daß man wider seinen Willen handle, daß er gar Niemanden brauche und keinerlei Hilfe verlangt habe, lassen sich hier gar nicht wiedergeben. Er weinte, er klagte und wimmerte – wenigstens mit dem Munde – denn er konnte es nicht unterdrücken, daß seine kleinen grauen Augen dann und wann Blitze schleuderten durch die heuchlerischen Thränen. Als er aber nach drei Stunden in der Bucht von Warm-Land wohl befestigt lag und sich und seine Ladung in Sicherheit wußte, da hätte Jeder, der in seine Nähe kam, erstaunen müssen über die unzweideutige Befriedigung, die aus seinen Blicken sprach, und bei schärferer Aufmerksamkeit hätte er ihn murmeln hören können:
»Umsonst! Gott, der Gerechte! Ueber die Schwachköpfe! Sie haben mich umsonst hierher gelootst.«
In diesen Worten offenbarte sich der ganze Charakter dieses Menschen. Umsonst! Man hatte ihm einen Dienst »umsonst« erwiesen.
Die Insel Gourbi war nun von Menschen endgiltig verlassen. Nichts verblieb mehr auf diesem letzten Reste einer ehemaligen Kolonie Frankreichs, außer dem Wild und Geflügel, das den Nachstellungen der Jäger noch entgangen und durch die zu erwartende Kälte dem baldigen Untergange verfallen war. Nachdem die Vögel irgend ein anderes, ihnen günstigeres Land in der Ferne gesucht hatten, waren sie zur Insel zurückgekehrt, ein Beweis, daß nirgends ein anderes Gebiet existirte, das sie hätte ernähren können.
An genanntem Tage nahmen Kapitän Servadac und seine Gefährten von ihrer neuen Wohnstätte feierlich Besitz. Die innere Einrichtung des Nina-Baues fand allgemeinen Beifall und Jeder wünschte sich Glück, ein so bequemes und vorzüglich so angenehm durchwärmtes Unterkommen gefunden zu haben. Nur Isaak Hakhabut theilte die Befriedigung der Uebrigen nicht. Er weigerte sich sogar, überhaupt in die Gänge des Bergstockes mit einzutreten, und verblieb an Bord seiner Tartane.
»Er fürchtet ohne Zweifel, Miethzins zahlen zu sollen, sagte Ben-Zouf. Doch immerhin. Bald wird er in’s Winterlager getrieben werden, der alte Fuchs; die Kälte wird ihm schon sein Loch verleiden!«
Gegen Abend wurden die Kessel eingehängt und bald versammelte eine gute Mahlzeit, deren Gerichte über vulkanischem Feuer bereitet waren, die ganze kleine Welt in dem großen Saale. Mehrere Toaste, zu denen die Vorräthe der Dobryna an französischen Weinen den nöthigen Stoff lieferten, wurden dabei dem General-Gouverneur und seinem »Verwaltungsrathe« ausgebracht. Ben-Zouf bezog natürlich ein gutes Theil
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