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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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zu ihr sagte:
    »Warum reisen Sie nach Perugia zurück? Foligno ist auch eine Stadt. Bleiben Sie doch hier.«
    Millicent schaute ihn mit ihren stumpfsinnig-ernsten Augen an und antwortete:
    »Sie haben recht.«
    Und sie blieb da.
    Es war ein heißer Tag, und sie aßen fortwährend Eis und plauderten. Mihály hatte eine Fähigkeit, für die die englischen Diplomaten
     gefürchtet sind: Er konnte im Bedarfsfall ganz dumm sein. Millicent fiel keinerlei intelligenzmäßiger Unterschied zwischen
     ihnen auf, ja, aufgrund ihrer kunstgeschichtlichen Kenntnisse kam sie sich überlegen vor, und das tat ihr außerordentlich
     wohl.
    »Sie sind der erste Europäer, der mich intellektuell richtig einschätzt«, sagte sie. »Die meisten Europäer sind so abgestumpft
     und haben kein Gefühl für das Schöne.«
    Er gewann ihr volles Vertrauen. Bis zum Abend wußte er schon |98| alles über sie, auch wenn man nicht sagen kann, daß es wissenswert gewesen wäre.
    Abends trafen sie sich mit Ellesley im Café. Der Arzt staunte nicht schlecht, daß Millicent noch in Foligno war.
    »Wissen Sie, ich habe gedacht«, sagte sie,»daß man sich nicht die ganze Zeit immer nur mit der Kunst beschäftigen kann. Ein
     Bekannter von mir, ein Arzt, hat gesagt, das ständige intensive Nachdenken schade der Haut. Nicht wahr? Also, ich habe beschlossen,
     ein bißchen auszuspannen. Ich gewähre mir eine geistige Pause. Ihr Freund hat eine so beruhigende Wirkung auf mich. Er ist
     eine so liebe, einfache, harmonische Seele. Nicht wahr?«
    Ellesley nahm resigniert zur Kenntnis, daß sein Patient dem amerikanischen Mädchen den Hof machte, und wurde noch stiller.
     Denn Millicent gefiel ihm noch immer. Sie war so anders als die italienischen Frauen. Nur eine Angelsächsin konnte so rein,
     so unschuldig sein. Millicent – innocent, das wäre doch ein schöner Reim. Na ja. Hauptsache, die vom Himmel gefallene Ablenkung
     tat dem netten ungarischen Patienten gut.
    Am folgenden Tag machte Mihály einen großen Spaziergang mit dem Mädchen. In einem kleinen Dorfgasthaus aßen sie sich mit Pasta
     voll, danach legten sie sich in einem klassisch wirkenden kleinen Hain nieder und schliefen ein. Als sie aufwachten, sagte
     Millicent:
    »Es gibt einen italienischen Maler, der genau solche Bäume gemalt hat. Wie hieß er gleich?«
    »Botticelli«, sagte Mihály und küßte sie.
    »Ooh!«sagte Millicent erschrocken, dann küßte sie ihn zurück.
    Jetzt, da Mihály das Mädchen in den Armen hielt, stellte er erfreut fest, daß er sich nicht getäuscht hatte. Ihr Körper war
     tatsächlich elastisch wie Gummi. Oh, der Körper der fremden Frau, was bedeutet er für den, der in der Liebe Phantasien nachjagt
     und nicht den physiologischen Gegebenheiten! Schon während des vorläufigen und durchaus noch unschuldigen Küssetausches spürte
     Mihály, daß Millicents Körper in allen seinen Teilen fremd, anders, vortrefflich war. Ihr gesunder Mund war amerikanisch (oh,
     die Prairie) und genauso fremd waren ihr Hals mit den
    |99| Härchen und die Berührung ihrer großen, starken Hände und die überirdisch-unvorstellbare Geschrubbtheit ihres Körpers (oh,
     Missouri-Mississippi, Norden gegen Süden, and the blue Pacific Sea!…).
    Die Geographie ist das stärkste Aphrodisiakum, dachte er.
    Doch am Abend war für Millicent ein Brief auf der Post, nachgeschickt aus Perugia. Der Brief stammte aus der Feder von Miss
     Rebecca Dwarf, Professorin für die Kunstgeschichte des Mittelalters an der Universität Cambridge (Massachusetts), Millicents
     Meisterin und geistige Führerin. Beim Abendessen sagte Millicent unter Tränen, Miss Dwarf sei sehr zufrieden mit ihrem letzten
     Brief, in welchem sie vom Fortgang ihrer Studien berichtet hatte, doch jetzt verlange sie, daß Millicent unverzüglich nach
     Siena reise, um die berühmten Primitiven anzuschauen.
    »Obwohl es doch so schön war mit Ihnen«, sagte sie weinend und legte ihre Hand in die von Mihály.
    »Muß denn das unbedingt sein?«
    »Aber ja. Wenn Miss Dwarf es so will   …«
    »Der Teufel soll die alte Schreckschraube holen«, brach es aus Mihály heraus. »Millicent, hören Sie auf mich. Vergessen Sie
     die Primitiven von Siena. Die sind wahrscheinlich genau gleich wie die umbrischen Primitiven, die Sie in Perugia gesehen haben.
     Und überhaupt, ist es nicht egal, ob man zehn Bilder mehr oder weniger gesehen hat?«
    Millicent blickte ihn verblüfft an und zog ihre Hand zurück.
    »Aber Mike, wie können Sie so

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