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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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Sie so unbedingt ans ewige Leben glaubten wie ich, dann würden Sie diese Nachricht mit Gelassenheit aufnehmen,
     denn Sie würden darauf vertrauen, daß Ihr Freund jetzt dort ist, wo sein unvollständiges irdisches Wesen seine gebührende
     Ergänzung, die Unendlichkeit, erhält.
    Vergessen Sie mich nicht ganz, schreiben Sie manchmal Ihrem treuen Ellesley
     
    P.S.   Millicent Ingram hat das Geld ordnungsgemäß bekommen, erachtet unter Freunden Ihre Bitten um Entschuldigung als lächerlich,
     läßt Sie herzlich grüßen und denkt mit Wärme an Sie; ich darf auch gleich hinzufügen, daß wir verlobt sind.
     
    Es war ein fürchterlich heißer Tag. Mihály lief am Nachmittag benommen im Park der Villa Borghese umher, ging früh ins Bett,
     schlief müde ein und wachte dann wieder auf.
    Im Halbschlaf hatte er eine zerklüftete, wilde Gegend gesehen und sich gefragt, woher er dieses enge Tal, diese aufgeregten
     Bäume |221| , die stilisiert wirkenden Ruinen kannte. Vielleicht hatte er sie zwischen Bologna und Florenz vom Zug aus gesehen, auf jener
     wundervollen Strecke, vielleicht auch, als er oberhalb von Spoleto umhergestreift war, oder vielleicht in einem Museum auf
     einem Bild von Salvatore Rosa. Die Landschaft hatte eine ungute Untergangsstimmung, und dem Untergang schien auch die kleine
     Gestalt geweiht, die auf ihren Stock gestützt durch die Landschaft ging, über ihr das Mondlicht. Er wußte, daß der Wanderer
     schon sehr lange durch immer verlassenere Gegenden zog, zwischen solchen aufgeregten Bäumen und stilisierten Ruinen, bedroht
     von Stürmen und Wölfen, und daß er vielleicht der einzige war, der in solcher Nacht so einsam wanderte.
    Es klingelte. Mihály machte Licht und schaute auf die Uhr. Mitternacht vorüber. Wer konnte das sein? Bestimmt hatte es gar
     nicht geklingelt. Er drehte sich auf die andere Seite.
    Es klingelte wieder. Er stand nervös auf, warf sich etwas über und ging hinaus. In der Tür stand Éva.
    In seiner Verwirrung vergaß Mihály zu grüßen.
    So ist das. Man sehnt sich nach jemandem wie wahnsinnig, am Rand des Untergangs, an der Schwelle von Tod und Hölle, man sucht
     ihn und verfolgt ihn umsonst und vergeht fast vor Sehnsucht. Seit Mihály in Rom war, hatte er die ganze Zeit auf diesen Augenblick
     gewartet, sich auf ihn vorbereitet und schon gedacht, er würde nie wieder mit Éva sprechen können. Und da taucht sie plötzlich
     auf,und man hält krampfhaft seinen billigen Pyjama über der Brust zusammen, ist zerzaust und unrasiert, schämt sich dafür,
     schämt sich noch mehr für die Wohnung und wünscht, die Person, nach der man sich so unaussprechlich gesehnt hat, wäre nicht
     da. Doch Éva kümmerte das alles nicht. Ohne zu grüßen und ohne Aufforderung eilte sie in Mihálys Zimmer, setzte sich in einen
     Lehnstuhl und blickte starr vor sich hin.
    Mihály schlurfte ihr nach.
    Éva hatte sich überhaupt nicht verändert. Die Liebe bewahrt bis zum Ende einen einzigen Augenblick auf, nämlich den Augenblick
     ihres Entstehens, und wer geliebt wird, altert nie, in den Augen des Mannes bleibt die geliebte Frau immer siebzehn, und ihr |222| Haar und ihr leichtes Sommerkleid werden ein ganzes Leben lang von demselben leichten Wind bewegt, der in jenem schicksalhaften
     Augenblick geweht hat.
    In seiner Verwirrung vermochte Mihály nur zu fragen:
    »Woher kennst du meine Adresse?«
    Éva winkte gereizt ab.
    »Ich habe nach Budapest telephoniert, mit deinem Bruder. Mihály, Ervin ist gestorben.«
    »Ich weiß«, sagte Mihály.
    »Woher weißt du es?«
    »Ellesley hat es mir geschrieben, der kleine Doktor, den auch du, soviel ich weiß, in Gubbio kennengelernt hast, in dem Haus
     mit der offenen Totentür.«
    »Ja, ich erinnere mich.«
    »Er hat Ervin in seinen letzten Stunden beigestanden, im Krankenhaus von Foligno. Da ist sein Brief.«
    Éva las ihn und verfiel in Nachdenken.
    »Erinnerst du dich an seinen großen, grauen Mantel«, sagte sie dann, »und wie er den Kragen immer hochgestellt hat, während
     er mit gesenktem Kopf dahinschritt   … Irgendwie ging immer sein Kopf vorn und er seinem Kopf hinterher, wie die großen Schlangen, die ihren Kopf vorschnellen
     lassen und dann den Körper nachziehen   … Und was er zusammengeraucht hat! Ich habe noch so viele Zigaretten bereitlegen können, er hat sie alle geraucht. Und wie
     nett er war, wenn er gute Laune hatte oder betrunken war   …«
    Pater Severinus war einfach verschwunden, während mit dem Toten

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