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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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ergriff,
     kam ihm zu Bewußtsein, daß sie Erzsi gehörte, und er ließ sie sehr schlechten Gewissens wieder los. Und dann dachte er, bitter,
     traurig und müde, daß Éva doch ganz anders war. Zu Erzsi wurde er von Zeit zu Zeit durch intensive Leidenschaft getrieben,
     doch wenn die befriedigt war, blieb nichts mehr, nur die nüchterne, langweilige Kenntnisnahme der Tatsachen. Erzsi war begehrenswert
     und gütig und klug und alles, doch es fehlte ihr das Mysterium.
    Cosummatum est. Erzsi war der letzte Kontakt zur Menschenwelt gewesen, jetzt gab es nur noch die, die es nicht gab: Éva, |218| Éva   … und wenn Éva gegangen war, würde der Untergang kommen.
    Erzsi ihrerseits wachte am frühen Morgen auf und dachte:
    Er hat sich nicht verändert, ich hingegen schon. Zuvor hat Mihály für mich das große Abenteuer, die Rebellion, das Fremde,
     das Geheimnisvolle bedeutet. Jetzt weiß ich aber, daß er nur passiv zuläßt, daß ihn fremde Mächte steuern. Er ist kein Tiger.
     Oder zumindest gibt es viel seltenere Tiger als ihn. János Szepetneki. Und all die, die ich noch nicht kenne. Daß sich Mihály
     jetzt zu mir zurücksehnt, liegt gerade daran, daß er in mir die bürgerliche Ordnung und Sicherheit und all das sucht, vor
     dem ich zu ihm geflüchtet bin. Nein, es hat keinen Sinn. Von Mihály bin ich geheilt. Sie stand auf, wusch sich und begann
     sich anzuziehen. Auch Mihály wachte auf und war sich über die Situation irgendwie gleich im klaren. Er zog sich ebenfalls
     an, sie frühstückten mehr oder weniger schweigend, Mihály begleitete Erzsi zum Bahnhof und winkte dem sich entfernenden Zug
     nach. Beide wußten, daß ihre gemeinsame Sache hiermit zu Ende war.

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    Auf Erzsis Abreise folgten grauenhafte Tage. Bald verreiste auch Waldheim, nach Oxford, und Mihály blieb ganz allein. Er hatte
     zu nichts Lust, ging nicht aus dem Haus, sondern lag tagelang angezogen auf dem Bett.
    Wie ein Gift sickerten die Nachrichten, die ihm Erzsi gebracht hatte, in seinen Organismus ein. Er dachte sehr viel und mit
     immer größerer Besorgnis an seinen Vater, der durch sein Verhalten und den drohenden finanziellen Zusammenbruch ganz gewiß
     in einem fürchterlichen Zustand war. Er sah den alten Herrn vor sich, wie er beim familiären Abendessen verzagt an seinem
     Tisch-Ende sitzt, vor Kummer seinen Schnurrbart zwirbelt oder sein Knie reibt, während er sich bemüht zu tun, als sei alles
     in Ordnung, und mit seiner erzwungenen guten Laune die anderen noch mehr deprimiert, so daß niemand auf seine Scherze eingeht
     und allmählich Schweigen eintritt, wobei man im Eiltempo ißt, um sich der Tortur des familiären Beisammenseins zu entziehen.
    Und wenn es ihm hin und wieder gelang, seinen Vater zu vergessen, kam ihm Éva in den Sinn. Daß sie in unerreichbare Fernen
     entschwand, vielleicht für immer, das war entsetzlicher als alles andere. Es war ja schon schrecklich, daß Éva nichts von
     ihm wissen wollte, doch das Leben war immer noch erträglich, wenn man wußte, daß sie in derselben Stadt wohnte, so daß man
     sich zufällig treffen oder sie zumindest auf Distanz sehen konnte   … doch wenn sie nach Indien ging, blieb für Mihály nichts mehr, rein gar nichts.
    Eines Nachmittags kam ein Brief aus Foligno, von Ellesley:
     
    |220|
Dear Mike,
    ich muß Ihnen eine sehr traurige Mitteilung machen. Pater Severinus, der Mönch von Gubbio, hat eine schwere Krankheit gehabt.
     Das heißt, er war seit längerem lungenkrank gewesen, und dann ist er in das Stadium gekommen, da er nicht mehr im Kloster
     bleiben konnte, und er ist hierher ins Krankenhaus gebracht worden. In den Stunden, da ihn weder seine Krankheit noch seine
     religiösen Pflichten in Anspruch nahmen, hatte ich Gelegenheit, mit ihm zu sprechen und einen gewissen Einblick in seine wunderbare
     seelischeWelt zu bekommen. Ich glaube, in früheren Jahrhunderten hätte man diesen Menschen als heilig verehrt. Pater Severinus
     hat oft und mit größter Zuneigung von Ihnen gesprochen, von ihm habe ich erfahren – wie erstaunlich sind doch die Wege der
     Vorsehung   –, daß Sie Jugendfreunde gewesen waren. Er hat mich gebeten, Sie zu benachrichtigen, wenn das Unvermeidliche eintreten würde.
     Diesem Wunsch komme ich nun nach, da Pater Severinus in der vergangenen Nacht gestorben ist. Er war bis zum letzten Augenblick
     bei Bewußtsein und betete mit den an seinem Bett wachenden Ordensbrüdern, als der Moment des Scheidens kam.
    Dear Mike, wenn auch

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