Reise im Mondlicht
übertriebenen Gesten waren dennoch vornehm – ungezähmte, echte Gesten.
»Ich freue mich sehr, daß Sie zurückgekommen sind, Madame«, sagte er auf einmal. »Ich hatte schon Angst, Sie würden in Italien
bleiben. Das wäre schade gewesen … es hätte mir sehr leid getan.«
|228| Erzsi legte zum Dank einen Augenblick ihre Hand auf die Hand des Persers. Diese zog sich zusammen und wurde wie eine Kralle.
Erzsi erschrak und zog ihre Hand zurück.
»Ich möchte Sie sehr um etwas bitten. Nehmen Sie von mir ein kleines Geschenk an. Es ist ein Ausdruck der Freude über Ihre
Rückkehr.«
Er nahm eine fein gearbeitete goldene Tabatière hervor.
»Es ist eigentlich eine Opiumdose«, sagte er. »Aber man kann auch Zigaretten hineintun.«
»Ich weiß nicht, aus welchen Gründen ich das annehmen dürfte«, sagte Erzsi verlegen.
»Aus gar keinen. Aus dem Grund, daß ich mich wohlfühle. Aus dem Grund, daß ich kein Europäer bin, sondern aus einem Land komme,
wo die Menschen leicht und freudigen Herzens Geschenke machen und dankbar sind, wenn das Geschenk akzeptiert wird. Nehmen
Sie es an, weil ich Suratgar Lutphali bin und weil Sie im Leben vielleicht keinen solchen Vogel mehr sehen werden.«
Erzsi sah János fragend an. Die Tabatière gefiel ihr sehr, und sie hätte sie gern besessen. Er blinzelte zustimmend.
»Also, dann will ich das Geschenk annehmen«, sagte Erzsi, »und danke sehr dafür. Von jemand anderem würde ich es nicht annehmen.
Nur von Ihnen. Denn wer weiß, wann ich im Leben je wieder einen solchen Vogel sehe?«
Für das Essen bezahlte der Perser. Das machte Erszi ein bißchen nervös. Es war, als tischte János sie ihm auf, als wäre er,
milde ausgedrückt, ihr Impresario, während er selbst sich bescheiden in den Hintergrund zurückzog … Doch dann verscheuchte sie den Gedanken. János hatte bestimmt wieder kein Geld, deshalb ließ er es zu, daß der Perser zahlte.
Oder der Perser hatte mit orientalischer Magnifizenz darauf bestanden. Und überhaupt zahlt in Paris immer nur einer die Rechnung.
In der Nacht schlief János bald ein, und Erzsi hatte Zeit zum Nachdenken.
Die Geschichte mit János geht ihrem Ende zu, das ist unzweifelhaft, und das macht auch nichts. Was an ihm interessant ist, |229| kenne ich schon auswendig. Ich hatte immer Angst, daß er mich eines Tages erdolcht oder mir mein Geld stiehlt, aber offenbar
habe ich mich umsonst gefürchtet, und ein bißchen enttäuscht bin ich auch. Was nachher kommt? Vielleicht der Perser? Ich scheine
ihm zu gefallen.
Sie dachte lange darüber nach, wie der Perser wohl ganz aus der Nähe war. Der, ja, der ist wirklich ein Tiger, hell lodernd
im nächtlichen Wald. Wie seine Augen glühen … Er muß furchterregend sein. Ja, furchterregend. Man müßte ihn einmal ausprobieren. Die Liebe hat noch so viele unbekannte
Gegenden, Geheimnisse, Wunder, Paradiese …
Zwei Tage darauf wurden sie von dem Perser zu einem Ausflug im Auto eingeladen, nach Paris Plage. Sie badeten im Meer, aßen
zu Abend und machten sich im Dunkeln auf den Heimweg.
Der Weg war lang, und der Perser, der am Steuer saß, begann unsicher zu werden.
»Haben wir diesen See auf der Hinfahrt gesehen?« fragte er János.
János blickte ratlos ins Dunkel.
»Vielleicht hast du ihn gesehen. Ich nicht.« Sie hielten an, um die Landkarte zu studieren.
»Weiß der Teufel, wo wir sind. Ich sehe hier keinen See.«
»Ich habe doch gleich gesagt, der Chauffeur sollte nicht so viel trinken«, sagte János gereizt.
Sie fuhren unsicher weiter. In der ganzen Gegend kein Mensch, kein Gefährt.
»Mit diesem Auto stimmt etwas nicht«, sagte János. »Hörst du, wie es knattert?«
»Ja, tatsächlich.«
Je weiter sie fuhren, um so auffälliger wurde das Knattern.
»Verstehst du dich auf Motoren?« fragte der Perser. »Ich nämlich überhaupt nicht. Für mich ist ein Motor immer noch Teufelszeug.«
»Halt an, ich will nachsehen.«
János stieg aus, machte die Kühlerhaube auf und begann den Motor zu studieren.
|230| »Der Treibriemen ist völlig kaputt. Wie kann man mit einem solchen Riemen umherfahren? Du solltest deinen Wagen von Zeit zu
Zeit kontrollieren lassen.«
Plötzlich begann er zu fluchen:
»Herrgottsakrament, jetzt ist er ganz gerissen. Na, das haben wir ja toll hingekriegt.«
»Hast du.«
»Na gut, ich. Da kommen wir nicht mehr vom Fleck, ohne einen neuen Riemen. Ihr könnt geradesogut aussteigen.«
Sie stiegen aus. Inzwischen hatte es zu
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