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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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»Mein Leben ist auch jetzt ausgefüllt, und wer weiß, was für famose Dinge meiner noch harren. In Paris habe ich mich ein wenig
     gefunden, und nicht nur mich, sondern auch das, was ich vom Leben erwarte. Bloß schade, daß du darin fehlst.«
    Sie standen vor Erzsis Hotel. Mihály schaute sie sich zum Abschied noch einmal gut an. Ja, Erzsi hatte sich stark verändert.
     Zu ihrem Vorteil oder zu ihrem Nachteil, das war nicht klar. Sie war keine so feine Erscheinung mehr wie zuvor, es war etwas
     Gebrochenes an ihr, eine leichte innere Beschädigung, was auch in ihren Kleidern zum Ausdruck kam, und auch darin, daß sie
     sich nach Pariser Art zu stark schminkte. Erzsi war ein wenig gewöhnlicher geworden,und irgendwie war die Gegenwart eines
     fremden Mannes um sie, eines geheimnisvollen, beneidenswerten Fremdlings. Oder war es die Gegenwart von János, dem Gegenspieler   … Dieses Neue in einer altvertrauten Frau war unglaublich attraktiv und beunruhigend.
    |216| »Was machst du jetzt, Mihály?«
    »Ich weiß gar nicht. Ich habe keine Lust, nach Hause zu gehen, aus hundert Gründen, und ich mag auch nicht allein sein.«
    Einen Moment lang schauten sie sich mit dem Komplizen-Blick an, den sie sich im gemeinsam verbrachten Jahr angewöhnt hatten,
     dann hasteten sie schweigend in Erzsis Zimmer hinauf.
    In beiden loderte jene Leidenschaft auf, die sie mit scharfen Krallen zueinandergetrieben hatte, als Erzsi noch Zoltáns Frau
     gewesen war. Auch da hatten sich beide gegen das Begehren gewehrt, doch es war stärker gewesen, und der Widerstand hatte es
     noch heftiger gemacht. Und auch jetzt kamen sie gegen großen Widerstand zueinander; das, was zwischen ihnen an Schmerzlichem
     geschehen war, hatte sie zwar in aller Heftigkeit getrennt, doch um so gewaltiger war die Leidenschaft, die sie einander in
     die Arme trieb. Mihály entdeckte mit der Freude des Wiedererkennens Erzsis Körper, den er jetzt von allen Frauenkörpern am
     meisten begehrte, ihre Zärtlichkeit und Wildheit, ihr ganzes nächtliches Wesen, das in keiner Weise der Tages-Erzsi glich,
     sondern die leidenschaftliche, verliebte, in der Liebe erfahrene Erzsi war. Erzsi hingegen liebte es, Mihály aus der Lethargie,
     in der er den größeren Teil seiner Zeit verbrachte, ganz und gar herauszuschälen.
    Danach blickten sie sich gelöst und glücklich staunend an, und Erzsi mußte lachen.
    »Das hättest du heute morgen auch nicht geglaubt, was?«
    »Sicher nicht. Und du?«
    »Ich auch nicht. Oder ich weiß gar nicht. Auf der Herreise dachte ich, ich hätte vielleicht nichts dagegen.«
    »Erzsi! Du bist die Beste auf der Welt.«
    Das dachte Mihály wirklich. Er war ergriffen von der weiblichen Wärme, die aus Erzsi strömte, und er war dankbar und glücklich
     wie ein Kind.
    »Ja, Mihály, zu dir muß ich immer gut sein. Ich habe das Gefühl, daß man dir nicht wehtun darf.«
    »Sag   … sollten wir es mit unserer Ehe nicht noch einmal versuchen?«
    Erzsi wurde ernst. Sie hatte die Frage jedenfalls erwartet, schon |217| aus erotischer Eitelkeit, nach all dem Vorangegangenen   … Aber ob man das tatsächlich erwägen sollte?… Sie sah Mihály zweifelnd und prüfend lange an.
    »Wir sollten es noch einmal probieren«, sagte er. »Unsere Körper verstehen sich so gut. Und im allgemeinen haben doch die
     Körper recht. Die Stimme der Natur, meinst du nicht auch?… Was wir mit unseren Seelen kaputtgemacht haben, können unsere Körper
     noch in Ordnung bringen.Wir müssen es noch einmal probieren.«
    »Warum hast du mich dann verlassen, wenn   … wenn das so ist?«
    »Die Nostalgie, Erzsi. Doch jetzt ist es, als wäre ich von einem Zauber befreit. Es stimmt schon, ich war gern der Sklave
     und der Gefolterte. Aber es wäre ganz sicher viel besser, wenn ich bei dir bliebe. Doch das ist natürlich egoistisch. Die
     Frage ist eher, was für dich besser wäre.«
    »Ich weiß es nicht, Mihály. Ich liebe dich viel mehr als du mich, und ich fürchte, daß du mir viel Leid antun würdest. Und   … ich weiß nicht, wie du es mit jener anderen Frau hast.«
    »Mit Éva? Aber meinst du denn, ich hätte mit ihr gesprochen? Ich sehne mich einfach nach ihr. Es ist eine seelische Krankheit.
     Ich werde genesen.«
    »Genese zuerst, dann können wir reden.«
    »Gut. Du wirst sehen, wir werden bald reden. Schlaf gut, meine Liebe, Süße.«
    Doch in der Nacht wachte Mihály auf. Er streckte die Hand nach Éva aus, und erst als er die auf der Decke liegende Hand

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