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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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Ich besitze ungebeten drei neue Kleider, in denen ich demnächst täglich herumlaufen muss.
    Ich habe mir kein Geld mitgenommen, was ich etwas bedauere, denn auf Beni Hassens Souk ist aus meiner deutschen Sicht alles extrem preiswert. Geldlos trotze ich dem Konsum. Schnöder Mammon.
    Aus Kochgründen benötige ich dringend ein intaktes Feuerzeug für unseren asozialen Gasherd. Andauernd bemängele ich die leere Gasflasche, wenn ich den Brenner des Gasherdes anzünden will. Vorwiegend ist aber nur das Gas des Feuerzeuges leer. Bis auf wenige Male, wo Jadda und ich kein Essen durch die leere Gasflasche bekommen haben, hinkte es am Fidibus.
    An einem Stand mit altdeutschen Anzündern zeige ich mit dem Finger auf ein rotes BIC-Plastikfeuerzeug. Shirin zückt ihre Börse und kauft gleich zwei von den brauchbaren Dingern. Ich werde eins für Jadda und mich verstecken.
    Meine Füße schmerzen vom langen Laufen auf unebenem Gestein und holprigem Lehm. Allah sei Dank, wir schlagen den Weg zum Kinderladen ein. Walda sinkt auf das Sofabett. Ihr fallen innerhalb von drei Sekunden beide Augen zu. Shirin legt auf der anderen Couch die Beine hoch. Jamila angelt sich zwei Klappstühle, die an der Wand hängen. Endlich finden meine Füße wohlwollende Ruhe, auch wenn sie nur herunterhängen. In Deutschland hätte ich sie in einem Zuber mit Salzwasser gebadet und mit Eisgel gekühlt. In den letzten Wochen habe ich meine Quadratlatschen unbeabsichtigt geschont. Kein Wunder, dass ich heute an Fußpein leide.
    Im Geschäft ist es auffällig ruhig. Die Kundschaft fehlt, die Verkäuferinnen schlafen. Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl hin und her und denke mit Schrecken an den Rückweg. Hoffentlich werden meine armen Füße nicht ihren Dienst quittieren.
    »You are okay?«, erschreckt mich Jamila und glotzt mich mit einem halb geöffneten Auge an.
    »Yes, I am.«
    Nach eineinhalb Stunden ohne Käufer schließen wir den Shop. Auf dem Rollo leuchtet in roter Farbe das Wort Fermé.

Die Schneiderin trägt Prada
     
    Zu Hause falle ich ausgelaugt in Jaddas Arme. Sie lacht und hält mir die Safia-Flasche hin. Durstig trinke ich aus der Flasche. Das Mineralwasser schmeckt fader als sonst.
    Walda kommt auf uns zu, schreit Jadda an und reißt mir die Wasserpulle aus der Hand. Sie schüttet das Wasser in den Hof und tobt: »Ekleboueghek, maaelhanafia laisa jaiid.«
    Verwirrt frage ich mich, was wir falsch gemacht haben.
    Jadda erhebt sich stöhnend aus ihrem Stuhl und marschiert hocherhobenen Kopfes zu ihrer Totenpritsche, um das Geschehen aus der Ferne zu beobachten.
    Walda zeigt mit dem Zeigefinger auf die Plastikflasche: »Lä, non, lä.«
    Jamila informiert mich darüber, dass Jadda Leitungswasser in leere Mineralwasserflaschen abfüllt und daran glaubt, dass es sich dann zu Mineralwasser umwandelt.
    Sakrabum. Ich habe einen kräftigen Schluck davon getrunken. Durchfall vorprogrammiert. Morgen bleibe ich im Bett und warte auf den flotten Heinrich.
    Ich ahne nicht, dass eine neue Zeitrechnung anbricht. Ab morgen lebe ich tunesisch pur.
    Walda begräbt ihren Zwist mit Jadda und präsentiert stolz die gekauften Kleider. Außer Jaddas Entzückungsschreie und das ferne Jaulen eines Hundes liegt der Hof in Grabesstille dar.
    Zu der schwarzen Galarobe gehört ein Kopftuch mit Bommeln, das mir Walda überstülpen will. Ich wehre mich mit Händen, Füßen und Gekreische. Effektiv.
    Im Anschluss an die Modenschau packt Walda die Kleider in Plastiktüten und schubst mich auf die Gasse. Trällernd führt sie den Weg an. Ich folge ihr lahm, denn meine Füße qualmen. Als wir uns dem Ziel nähern, wirkt sie geziemt ruhiger.
    Das halbfertige Haus mitsamt einer baufälligen, gräulichen Garage beherbergt eine Schneiderei. Die vielen Nähmaschinen verstärken das Bild einer großen Firma, es ist aber nur ein Familienbetrieb. Die geräuschvolle Kulisse der Schneiderfamilie irritiert mich weniger, denn ich bin die arabische Lautstärke von zu Hause aus gewöhnt. Nach mehreren Küssen rechts und links ist die Begrüßung vorbei und mir wird das erste Kleid übergestreift. Die Schneiderin kürzt meine Garderobe im Austausch zu einem europäischen Hungerlohn.
    »Shukran Walda«, flüstere ich und hauche ihr einen Kuss auf die rechte Hand.
    Wir knien uns auf Sitzkissen und werden von der Tochter der Näherin versorgt. Sie bietet uns Boga-Cola, Fenchelknollen, Möhren und Apfelstücke an. Als wir alles verzehrt haben, bringt sie uns schäumenden Kahwa (nicht mein Ding)

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