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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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Wasserschlauch wiederholt missbrauche.
    Temporär erhitze ich mir wertvolle, trinkbare Wassertropfen auf dem Gasherd und reibe meinen Körper provisorisch damit ab. Ich bekunde damit, dass mir das Wasserdefizit egal ist, weil Jadda auch nicht mit dem edlen Wasser geizt.
    Wenn sie duscht, überflutet sie den gesamten Raum. Ich bin gezwungen, ihre Fluten mit dem Schrubber abzuziehen. Ansonsten stehe ich den lieben langen Tag halb Fuß unter Wasser, wenn ich die Toilette benutzen will. Ihre Überschwemmungen dienen mir als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und Schimpfe kriege ich obendrein, wenn das Auffangbassin wieder leer ist.

Souk
     
    »Come on, we will go to the souk.« Jamila schwenkt ihre geflochtene, regenbogenfarbene Markttasche in der linken Hand.
    Gutgelaunt streife ich meine Halbschuhe über. Walda beäugt kritisch mein Kurzarm-T-Shirt. Es ist heute übermäßig warm, darum werde ich nicht auf meinen Pulli zurückgreifen. Auch nicht, um Walda zu gefallen.
    Der orientalische Basar ist ein Genuss für die Sinne. Dieser Umschlagsplatz erinnert mich an den Hamburger Fischmarkt.
    Überall bieten Marktschreier Obst, Gemüse, Gewürze und Konsumgüter an. Die Menschenmassen bahnen sich drängelnd einen Weg durch die voll gestopften Pfade, was mich nicht unbedingt stört. Unangenehm sind nur die Knoblauchfahnen, die manchen Leuten anhaften. Ängstlich klammere ich mich an Shirins Hand, um nicht in der Menge verloren zu gehen.
    Walda kauft Birnen, Äpfel, Erdbeeren und zwei überteuerte Orangen, die mir außerordentlich gut schmecken. Man merkt an den überhöhten Preisen und den wenigen Früchten, dass die Orangenzeit vorbei ist.
    Die Marktbeschicker stapeln unterschiedliche Gewichte auf den antiken Waagen. Ich bezweifle, dass die Messgeräte korrekt funktionieren. Manche Lebensmittel werden direkt von den Eselskarren verkauft. Ich möchte die flauschigen Esel streicheln und strecke eine Hand nach ihnen aus. Shirin kennt keine Gnade. Sie schlägt nach meinem Arm und zieht mich wie einen Kartoffelsack hinter sich her.
    In einer Nebengasse veräußern Händler Kleidung, Haarschmuck, Ledertaschen und Räucherwerk. Walda kauft duftende Räucherpflanzen. Beiläufig stopft sie mir Datteln in den Mund. Die braunen Früchte schmecken zuckersüß. Hungrig verzehre ich eine Dattel nach der anderen, bis mir übel wird.
    Jamila und Shirin brechen die Datteln auseinander. Aus welchem Grund? »Why?«
    Jamila murmelt mit vollem Mund: »Worms!«
    Jetzt wird mir vollends unwohl. Aller Voraussicht nach habe ich nicht nur die zuckrigen Früchte, sondern auch jede Menge Würmer verzehrt. Nicht weiter schlimm, denn Würmer sind eiweißreich oder gilt das nur für Insekten?
    Walda bewundert an einem Stand die samtigen Hauskleider. Sie zeigt auf ein himbeerrotes Maxikleid mit einer goldenen Stickerei im Brustbereich und langen Ärmeln.
    »Meziena, Olive.«
    Im Ben-Amor-Haus nennt mich fast jeder Olive anstatt Olivia. Manchmal gehen sie zu weit und rufen Zitun, das tunesische Wort für Oliven, aber das gestatte ich nicht. Aus Strafe boykottiere ich die Küchenarbeit. Wenn ich es mir recht überlege, haben sie mich schon lange nicht mehr Zitun genannt.
    Walda ist von dem Kleid begeistert. Ich stimme ihr mit einem Nicken zu. Ehe ich mich besinne, zieht man mir das Kleid über den Kopf.
    »Bähi barcha«, entzücken sich meine drei Anverwandten. Fällt ihnen nicht auf, dass das Kleid viel zu lang ist? Ich versuche, mich von dem schweren Samt zu befreien. Innerhalb von fünfundvierzig Sekunden habe ich die samtige Umhüllung abgestreift. Walda erwirbt das Gewand für fünfzehn Dinar, umgerechnet circa acht Euro fünfzig. Kein Schnäppchen für tunesische Verhältnisse.
    Am übernächsten Marktstand begutachtet sie ein aquamarinblaues Samtexemplar. Das Kleid ist ein Duplikat der himbeerroten Kluft. Auch dieses wird mir über den Kopf gestülpt, für wunderschön befunden und gekauft.
    Zwischendurch ersteht Shirin einen lindgrünen Spitzen-Büstenhalter für drei Dinar.
    Walda kauft eine langbeinige rote Unterhose mit schwarzer Spitze. Sie gibt in diesem Maxislip eine prima Werbeikone für Hertha BSC im Auswärtsspiel ab.
    Wenig später bezaubert uns ein Stand mit hochwertiger Festtagskleidung. Als Walda ein schwarzes Leinenkleid mit pompöser Perlenstickerei sieht, springt sie jubelnd einmal hoch und klatscht in die Hände.
    Hinein ins Kleid, hinaus aus dem Kleid. Walda trägt heute die Spendierhose, denn sie bezahlt für die Robe fünfzig Dinar.

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