Reise in die arabische Haut
und schrecklich süße Datteln (dank der Würmer nicht mehr mein Ding).
Die Schneiderin trägt Prada, denke ich, als ich auf den schwarzen Kunststoffpantoffeln der Tunesierin ein imitiertes Prada-Emblem glitzern sehe.
Lautes Hämmern am Garagentor lässt die Unterhaltung kurz verstummen. Ein Mittvierziger und seine ältere Schwester kommen herein. Der Herr stellt sich als Amir vor und schildert in gebrochenem Deutsch, dass er seit einigen Jahren in Frankreich lebe, aber zurzeit auf Heimaturlaub bei seiner Schwester sei.
»Wo haben Sie die deutsche Sprache gelernt?«, frage ich interessiert. Tagelang habe ich, abgesehen von den kurzen Telefonaten mit Khalid, kein Wort Deutsch gehört oder gesprochen. Ich genieße diese Zusammenkunft.
»Ich waren verheiratet mit Deutschfrau vor fünfzehn Jahren. Haben gewonnt in Bonn bei tunesisch Botschaft.«
Beznesser! In meinem Hirn fokussiert sich roter Alarm.
»Wie lange haben Sie in Deutschland gewohnt?«
»Fünf Jahr, dann Frau ist krank geworden. Krebs an Brust. Ist gestorben nach zwei Jahr später. Ich haben sie sehr geliebt, nur am Weinen gewesen. Ich bin zurück zu meine Mama in Beni Hassen. Vor sechs Jahr ich kennengelernt schöne Frau aus unserem Ort. Mama hat vermittelt und jetzt wir sind vier Jahr in Heirat. Sind gegangen nach Frankreich vor drei Jahr.«
Amir wischt sich über die schweißige Stirn. Anstrengend diese deutsche Sprache.
»Das tut mir leid mit ihrer verstorbenen Frau«, entbiete ich und lösche mein Beznesser-Blinken.
»Habe deutsch Sprach fast vergessen.«
»Ca va?«, frage ich auf Französisch.
»Ca va bien.«
»Du liebst Obst?«, fragt er, während er auf unseren frischen Obstteller starrt. »Früchte sähr gut in Tunisia, alles Bio, Bio, kommt direkt von Baum.«
»Das Obst schmeckt köstlich hier«, stimme ich ihm zu.
Seine Schwester, die sich an der Diskussion nicht beteiligt, lächelt uns fragend an.
Walda guckt grimmig auf die Schneiderin, die den Saum des zweiten Kleides kürzt.
»Meine Schwester arbeitet in Seidalija. Weiß deutsch Wort nicht dafür.«
Walda holt aus ihrer angenähten Bauchtasche einen Blister mit Tabletten und deutet dann auf Amirs Schwester.
»Doctor?«, frage ich.
»Non, non«, antwortet Amir. »Pharmacie.«
»Apotheke?«
»Rischtisch.«
Diesmal werden unsere Gläser mit angerührtem Zitronenwasser gefüllt. Nur kurz erwäge ich die Gefahr des Leitungswassers. Da ich sowieso schon infiziert bin, stoße ich mit Amir und dem Rest der Leute an.
»Salud«, wünscht Amir.
»Saloon, Saloon«, ruft seine Schwester.
Ich gucke leicht schräg. »Yes we are in a saloon.«
»Mein Schwester nix kapieren. Sie immer sagt Saloon anstatt Salud.«
»Macht doch nix.«
Meine Kleider sind fertig und Walda will sofort aufbrechen.
»Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen«, verabschiede ich mich höflich von Amir und Anhängern, während Walda mich energisch wegzieht.
»Au revoir, vielleicht wir sehen uns noch mal …«
»Inshallah«, sage ich traurig, denn instinktiv weiß ich, dass Allah und Walda nicht wollen, dass wir uns wieder begegnen.
Die traditionelle Hochzeitskluft
Zu Hause befiehlt mir Walda, das rote Gewand sofort anzuziehen. Ich kann mich mit den Kleidern schlecht anfreunden, da ich seit frühester Jugend in Jeans und Shirts herumlaufe. Shirin und Jamila gackern verspielt und rufen: »Oliiive.«
Arabisch angezogen verlasse ich meine Schlafstätte und werde mit »Ohs« und »Ahs« überschüttet. Jadda befühlt den Stoff. Shirin steht staunend vor mir und flüstert: »Jolie.«
Ich bin beruhigt, dass die Familie von meinem Aussehen angetan ist.
Shirins Gehirn brütet eine Idee aus. Ihre Runzelstirn spricht für sich. Sie führt mich ins Elternschlafzimmer. Das Bett ist vier Quadratmeter groß und stammt aus demselben Holz, aus dem auch die Türen geschnitzt sind. Ich blicke mir im Kleiderschrankspiegel entgegen und spüre meine charmante Ausstrahlung.
Shirin öffnet den Schrank und zieht einen großen Pappkarton hervor. »Walda Marriage.«
Sie zeigt mir Waldas Hochzeitsgewand. Resolut robbt sie mir mein Kleid von den Schultern. Nun stehe ich in BH und Feinripp-Slip vor ihr. Hoffentlich kommt Ali Baba nicht nach Haus. Das gäbe eine mittlere Katastrophe.
Sie zieht mir eine dunkelrot gestreifte, halblange Bluse über den Kopf. Ich sehe aus wie Onkel Fritz, der im fünften Streich von Max und Moritz ein uncooles Nachtgewand trägt. Jetzt fehlt nur noch die Zipfelmütze.
Über das Hemd ziehe ich eine
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