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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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kurze samtige, blaue Bluse. Alle guten Dinge sind drei, darum folgt noch eine aus Goldfäden gehäkelte Weste. Im Spiegel blickt mir eine faltige, ungeduldige Frau im reifen Alter entgegen. Shirin prüft kritisch den Sitz des unfertigen, hoheitlichen Dresses.
    Sie umwickelt meine Hüfte und meine Beine mit einem langen, burgunderroten Tuch. Dieser Umhang wird mit einem dunkelgrün-weißen Schal um die Taille festgehalten.
    Shirin ist in ihrem Element. An ihr ist eine tolle Maskenbildnerin verloren gegangen. Sie legt mir ein in mehreren dunklen Rottönen gefärbtes Gewebe um die Schultern und heftet es mit pompösen Goldbroschen an den Pseudorock. Shirin dreht mich anerkennend von rechts nach links.
    Im Spiegel sehe ich Jamila, die spitzbübisch hinter vorgehaltener Hand schmunzelt.
    Ich versuche, meine störrischen Haare zu glätten, was nicht perfekt gelingt. Shirin fackelt nicht lange, sondern setzt mir eine pyramidenartige Kappe mit einem anhängenden, grünen Stoff auf.
    Jetzt ähnele ich einem Minister aus dem Elferrat.
    Jamila umschlingt meine Fesseln mit massiven, breiten Goldreifen und stopft meine turnschuhbreiten Hacksen in schmale, goldene Stöckelschuhe. Geschwächt plumpse ich auf das Ehebett und bleibe liegen. Meine Füße werden heute doppelt bestraft. Jamila reicht mir eine winzige, goldene Handtasche und zieht mich vom Bett hoch. Ich bin eine traditionelle Braut ohne anwesenden Bräutigam.
    An meiner linken Seite hängt Shirin, auf der rechten Seite stützt mich Jamila. In dieser Aufmachung stolpern wir in die dämmernde Abendsonne.
    Walda und Jadda starren mit offenem Mund auf mein Hochzeits-Outfit. Ich erlebe die beiden Frauen zum ersten Mal sprachlos. Wir bekommen bestimmt Ärger, weil ich das Brautkleid von Walda trage.
    Ich drehe mich auf den Absatz um und reiße meine beiden Schwägerinnen mit mir. Ich will raus aus diesen unbequemen Lackschuhen.
    »Scheiß Idee, Shirin«, raune ich ärgerlich.
    »Meziena barcha«, jauchzt Jadda.
    Walda ruft: »Arusa jemila.«
    »Etbarkallah«, schallt eine dröhnende Stimme über unseren Hof.
    Starr verharre ich an Ort und Stelle. Ali Baba kommt auf mich zu, nimmt mich in den Arm und nuschelt: »Etbarkallah, ala bent.«
    Erstmalig zeigt Ali Baba Emotionen. Er akzeptiert mich als seine Schwiegertochter.
    Walda zwingt mich, unaufhörlich vor ihren Augen umherzutanzen. Eine Träne rinnt aus ihrem rechten Auge. Ob sie sich an ihre eigene Hochzeit erinnert? Ich stöckele zu ihr und streichle über ihre grauroten Locken. Jetzt dämmert mir, warum sie andauernd ihr Kopftuch trägt. Ihr nachgewachsenes, graues Haar muss dringend gefärbt werden.
    Die eifersüchtige Jadda bettelt um Aufmerksamkeit, indem sie schrill und unerbittlich aufheult. Einen Vorteil hat diese Flennerei, ich vergesse für ein paar Minuten meine schmerzenden Füße.
    Erleichtert gehe ich mit Shirin in das Schlafzimmer zurück, um mich umzuziehen.
    Nach diesem anstrengenden Tag setze ich mich bequem vor den Kücheneingang, sehe Walda beim Fischgrillen zu, esse mein obligatorisches Stück Obst und räume zum ersten Mal, seit ich hier bin, den anderen nicht mehr jeglichen Dreck hinterher.
    Gegen neun Uhr haue ich mich auf die Matratze und ruhe wie Tutenchamun in der Pyramide.

Allah unser
     
    Noch müde erwache ich vom Minarettenruf und schleiche, wie allmorgendlich, über den Hof. Ich fühle mich fit wie schon lange nicht mehr.
    Um mich erkenntlich zu zeigen, werde ich zu Allah/Gott beten. Eventuell bietet sich somit auch die Chance, dass meine neue Familie mich als ihresgleichen anerkennt.
    Ich platziere den Gartenstuhl Richtung Mekka und beginne einfachheitshalber mit dem Vater unser, zugeschnitten auf Tunesien:
     
    Allah unser, der du bist im Himmel,
    geheiligt werde dein Name;
    dein Reich komme;
    dein Wille geschehe, wie in Deutschland so auch in Tunesien.
    Unser tägliches Baguette  und Wasser gib uns heute.
    Und vergib uns unsere Schuld,
    wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,
    und führe uns nicht in Versuchung,
    sondern erlöse uns von dem Bösen.
    Denn dein ist das Reich und die Kraft
    und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
    Amen.
     
    Ein wilder, grauschwarzer Kater spielt mit einem Mäuschen. Bei diesem Gequieke ist es äußerst schwierig, sich auf Allah zu konzentrieren. Ich verscheuche das Tier mit meinen Füßen und verursache dabei Lärm, der Walda aufweckt. Sie kommt auf nackten Füßen mit ihrem Gebetsteppich angeschlichen, legt ihn auf den harten Boden und kniet sich auf die

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