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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Shea
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Ich besorgte mir ein Amulett, das Hexen verwenden, um die Lebenskräfte ihrer Opfer zu rauben. Dann rief ich mein verehrungswürdiges Weib zu mir ...« Alle blickten auf die Frau im Bett, die sich pausenlos bewegte und vor sich hin murmelte, obwohl sie offensichtlich schlief.
    »Ich rief sie also zu mir«, wiederholte Tor. »Ich erklärte ihr taktvoll, es sei von äußerster Wichtigkeit für mich, und deshalb auch für sie, daß sie Karf verführe. Sie war natürlich schockiert und weigerte sich heftig. Schließlich, als ich sie von der Dringlichkeit überzeugt hatte, gestand sie zögernd, daß sie ohnehin fast jede Nacht mit Karf im Bett verbringe.« Tors Augen glitzerten triumphierend. »Das, meine Herren, war ein unvorhergesehener Glücksfall für mich. Ich tat, als wäre ich schrecklich erzürnt, und erklärte ihr, ich könne ihr nur verzeihen, wenn sie nach einer letzten Nacht mit ihm Schluß mache, doch nicht, ehe sie nicht noch im richtigen Augenblick ihrer Vereinigung einen Zauberspruch murmeln würde, den ich sie schnell lehrte.
    In der kommenden Nacht, als Karf nach seiner amourösen Anstrengung eingeschlafen war, trug mein Weib das Amulett mit sich davon, denn es hatte sich infolge des Zauberspruchs bei der Vereinigung in ihrem Schoß eingenistet. In Kürze schon würde sie den Kobold von Ka gebären. Sofort nach ihrer Rückkehr verbarrikadierte ich mein Haus, denn ich wußte, daß Karf es stürmen würde, wenn er die Abwesenheit des Amuletts bemerkte. Trotz aller Gegenmaßnahmen gelang es ihm, in den zweiten Stock einzudringen, von wo aus – wie ich euch bereits berichtete – ich ihn ins Erdgeschoß verbannen konnte. Das ist auch der Grund, weshalb er sich noch im Haus befand, als die Dämonenlords es in die Unterwelt verschleppten. Wie dem auch sei, er hat sich alle Mühe gegeben, aber schließlich trage doch ich den Sieg davon. Er hat keine Chance mehr, in dieses Zimmer zu dringen, ehe ich mein Weib von dem Kobold entbunden und letzteren durch Voonboods Formel in meine Macht gebracht habe.«
    Mumber Sull starrte Tor verblüfft an. »Ihr wußtet, daß die Dämonen Euch verschleppten, und Ihr machtet keine Anstalten, das Haus zu verlassen?«
    Tor schüttelte den Kopf. »Ihr scheint immer noch nicht zu begreifen, über welch ungeheure Macht ich bald verfügen werde. Was macht es schon aus, daß man mich in die Tiefe der Erde verfrachtete? Der Kobold wird mir Flügel verleihen, daß ich mich erhebe. Mit ihm als mein Schiff kann ich sogar die See der Erdbeben durchsegeln und die heulenden Berge ihrer Wogen teilen. Was könnte mich noch halten? Oder wer könnte sich gegen mich stellen?« Mit funkelnden Augen starrte er die Pilger an, dann wanderte sein Blick zum Bett. »Ihre Wehen beginnen. Ich muß ihr beistehen. Seid wachsam. Warnt mich rechtzeitig vor Angriffen Karfs.«
    Die Wehen bestanden aus heftigen, unregelmäßigen Vibrationen. Aus ihrem verwirrten Gesichtsausdruck zu schließen – sie war nun zweifellos völlig wach –, empfand sie weniger Schmerz als Verblüffung. Tor kniete neben ihr und leierte endlose Beschwörungen in ihr Ohr. Plötzlich schüttelte sich ihr Leib unter wilden Zuckungen. Sie schrie laut, doch ebenfalls weniger aus Schmerz denn aus Verwirrung. Tor beugte sich vor und holte ein schwarzes Ding von der Größe eines Straußeneis aus dem Bett. Er hüpfte von einem Bein auf das andere und brüllte: »Der Kobold gehört mir! Der Kobold gehört mir!«
    Ohne seiner Frau, die verständnislos blinzelte, auch nur einen Blick zu gönnen, rannte Tor zu einer Kommode und legte das schwarze Ei darauf. Dann holte er eine Schriftrolle aus seiner Brusttasche und las gestikulierend eine Zauberformel ab. Er betonte jede Silbe laut und deutlich.
    Mit einem Seufzer der Erleichterung steckte er die Rolle zurück. »Ich habe sie fehlerlos aufgesagt«, erklärte er mit stolzgeschwellter Brust. »Sobald der Kobold erwacht, wird er durch den dreifachen Bannspruch für immer an mich gebunden sein. Ich bin nun der größte Zauberer der Erde! Simbilis ebenbürtig, wenn nicht größer ...«
    »Das ist eine unverzeihliche Anmaßung!« brauste Mumber Sull auf. »Ich warne Euch ...«
    Tor unterbrach ihn wütend. »Wie könnt Ihr wagen ...« Doch da fiel sein Blick zurück auf das Ei. »Der Kobold erwacht. Mein erster Befehl an ihn wird sein, Euch für Eure Impertinenz zu bestrafen.«
    Das schwarze Ei bewegte sich. Jetzt erst sahen sie, daß es überhaupt kein Ei war, sondern eine ledrige Kreatur, die sich

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